Original

18. März 1924

Die Mode ist einer der seltsamsten Sklavereizustände, in die sich der Menschengeist jemals freiwillig begeben hat. Sie ist besonders dadurch seltsam, daß sie eigentlich auf einem Widerspruch beruht, der ihre ganze Eitelkeit anschaulich macht.

Wer der Mode huldigt, will auf der einen Seite glänzen, sich hervortun, auf der andern Seite aber in der Frontlinie einer Art Uniformierung verschwinden. Das Paradoxon liegt darin: Man will sich dadurch auszeichnen, daß man erscheint, wie alle andern.

Würde ein junger Mann heute gezwungen, enge, womöglich karierte Hosen, breitnasige flache Schuhe mit Gummizügen, langes gewelltes Haar und Backenbart zu tragen, so würde er doch sicher lieber sterben. Muten Sie einer Dame von heute zu, sich anzuziehen, wie damals wo Faux-cul und Wespentaille die Kennzeichen der weiblichen Obern Zehntausend waren, so werden Sie was erleben! Und tatsächlich sieht saft jede Mode aus der Entfernung lächerlich aus, am lächerlichsten die, die am weitesten in plus oder minus von den Körperformen abirrt, wie die Männlein und Weiblein von Natur aus haben.

Noch komischer wirken die Auswüchse der Mode im Geistigen des Alltags. So zum Beispiel wenn jemand seine Zugehörigkeit zu den gebildeten Kreisen dadurch deutlich machen will, daß er mit Made-Ausdrücken seine Rede spickt. Dazu gehören Wörter wie momentan, ausgeschlossen, selbstredend. Das ist indes nur kausmännischer Jargon. Gräßlich wird die Mode, wenn sie sich auf Abfälle der Gelehrsamkeit wirft. Es gab eine Zeit, wo die deutschen Philologen es sich zur Pflicht gemacht hatten, den Lautwert des griechischen Y in der Umgangssprache wieder herzustellen. Bis dahin hatte der Gebildete in Deutschland ohne mit der Wimper zu zucken zum Beispiel das Wort typisch nicht tüpisch, sondern tipisch ausgesprochen, wie man heute noch im Französischen nicht tupique sondern tipique sagt. Es wurde sörmlich Jogd auf Wörter mit y gemacht, damit man durch ein deutlich geflötetes ü zeigen konnte, daß einem die Sprache Homers geläufig war. Damals - es war um 1882 herum - fand in Berlin eine Hygiene-Ausstellung In den Gewölbebogen der Stadtbahn statt. Der Berliner nannte sie arglos „Hijiene-Ausstellung“. Bis sich die Philologen hineinmischten und die Losung „Hügiene“ ausgaben. Die Unentwegten sagten sogar „Hügieine“, weil bei den Griechen die Göttin der Gesundheit, die Tochter des Asklepios, Hyiela hieß. „Hygleine“ wurde das Kennwort, nach dem Gebildete und Banausen unterschieden wurden, wie Ciceri während der Sizilianischen Vesper oder Loabitoag in Bayern.

Dann kam natürlich das komische Ende nach. Wer es nicht besser wußte, meinte nun auf einmal, es gehöre zum vornehmen Ton, i überhaupt als ü auszusmechen, und deutsche Humoristen legen noch heute geschwollenen Dummköpfen Sätze in den Mund, in in einem Sportgeschäft nach „Sküern“ fragte. Man verstand ihn falsch und es war Zeit, daß er hinauskam.

Andere jonglieren mit falschen Deklinationsendungen, die sie für vornehm halten. Wenn Herr Anton Erpelding selig ganz parlamentarisch sein wollte, sagte er: „Der Herrn Euschen.“ Andere streuen mit vollen Händen über ihre Nomina den Buchstaben n, wie ein kostbares Gewürz: „Wenn die Ärzten die Gesetzen machen.“

Ein Pennäler, der den Humor dieser grammatikalischen Modetorheit voll erfaßt zu haben scheint, prägte letzte Fastnacht folgenden lapidaren Satz, der unbedingt der Vergessenheit entrissen zu werden verdient. Es dauerte etwas lange, bis der Kellner die bestellte Zwiebelsuppe brachte. Da sagte der Sekundaner vorwurfsvoll: „Garçon, Ihr seid keinen guten, garçon, Ihr bringt keine Untenzupf!“

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