Original

23. März 1924

«L’Illustration - de la Belgique - du GrandDuché de Luxembourg - et de la Colonie.» Soeben erscheint das dritte Heft. Man merkt immer deutlicher, wie sie es ihrer großen französischen Schwester nachtun will. Nicht nur in Format und Ausstattung, auch in Betracht des Inhalts: Interesse und Mannigfaltigkeit sind offenbar zwei der Richtlinien, nach denen die Leitung zu verfahren sich vorgenommen hat.

Dies dritte Heft enthält beispielsweise mehrere Beiträge, wie sie die Leser einer Zeitschrift dieser Art sich nicht interessanter denken können. Lucien Laudy erzählt von einem Besuch des Schlachtfeldes von Waterloo. Es ist das traurigste, eintönigste aller Schlachtfelder. «Les fermes tragiques de Waterloo» heißt der Artikel, dem als Illustrationen drei alte lithographierte Ansichten der Pachthöfe von Mont St. Jean, du Caillou und Hougoumont beigegeben sind. Wer sich historisch zu denken und alles Weltgeschehen im Zusammenhang zu sehen gewöhnt hat, wird nicht ohne Ergriffenheit dem Verfasser bei seinem Gang über diesen Schauplatz eines der gewaltigsten Zusammenbrüche der Geschichte folgen, nachdem wir uns seit dem letzten Krieg gewöhnt haben, bei dem Worte Schlachtfeld ganz andere Visionen heraufzubeschwören: Yser, Argonnen usw. Und der andere Vergleich drängt sich auf: St. Helena - Schloß Doorn. Das Heroentum ist von den Herrschern auf die Völker übergegangen. Und es ist wahrscheinlicher, daß sich die Völker einmal dauernd vertragen, als daß die Herrscher aufs Kriegführen verzichten werden.

Ein anderer Beitrag macht uns mit einem Dominium bekannt, von dessen Bestehen ganz sicher viele meiner Landsleute keine Ahnung haben: «La seigneurie de Gaesbeek.» Der Name ist nicht schön, wieder in Klang noch in Anklang. Um so schöner ist die Sache. Der Archivist F. Venuckens erzählt kurz und gründlich die Geschichte dieser merkwürdigen Herrschaft, von ihrem Ursprung im Jahre 1236 bis zu dem Jahr 1921, wo die letzte Herrin, Marquise Arconatt Visconti, die ganze Domäne an Belgien schenkte. Zu den Besitzern, die sich im Lauf der Jahrhunderte folgten, gehörte unter andern Graf Lamoral d’Egmont, der am 5. Juni 1568 in Brüssel enthauptet wurde. Andere frühere Besitzer des Schlosses Gaesbeek haben sich in der Geschichte Belgiens weniger rühmlich hervorgetan, als der Held der Goethe’schen Tragödie. Seit dem 11. Februar dieses Jahres ist das märchenhaft schöne Schloß mit seinen Kunstschätzen und seinen Archiven dem Publikum geöffnet und bildet eine Einrichtung, um die unsere belgischen Nachbarn zu beneiden sind, ein heimatgeschichtliches Denkmal von unschätzbarem Wert und eine Stätte geistiger Bereicherung, die als Endpunkt einer Jahrhunderte langen Reihe von Bestrebungen für die Vergangenheit des Landes ein schönes Zeugnis ablegt.

Luxemburg ist an dem Inhalt mit einer Veschreibung und ein paar Ansichten von Wiltz beteiligt. Man darf von der maßgebenden Stelle erwarten, daß sie demnächst Mitarbeiter heranzieht, die den Lesern der «Illustration» über uns etwas mehr zu sagen wissen, als was man in einem besseren Fremdenführer lesen kann.

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  • press: lux/Belgian journal
KatalognummerBW-AK-012-2614