Original

28. März 1924

Die Vereinsleitung des V. C. L., des Luxemburger Veloce-Club, schickt mir eine Einladung zu einer Generalversammlung, zu allerhand Jubelfesten, einem Familienball, einem Ausflug mit Pick-nick usw. usw.

Es ist also Gott sei Dank im guten alten V. C. L. noch immer, wie es seit vierzig Jahren gewesen ist, wie es schon damals war, als der Juppy noch in seiner Sünden Maienblüte stand und das Club-Banner hoch vom Grand Bi flattern ließ, als Bocken Alen auf allen Straßen mit den Bauernburschen raufte, weil sie gegen die verhaßten Radler aus der Stadt Stricke über die Straßen spannten, als Baclessen Hary stark und sanft als Seele des Vereins die englischen Sportüberlieferungen einbürgerte, die er von seiner Lehrzeit aus London mitgebracht hatte, als man an allen Doppelfeiertagen Rhein, Mosel, Maas, Saar, Sauer, Semois und andere Flüsse und Flüßchen jauchzend hinauf und hinunter strampelte, in Koblenz, Bouillon, Dinant, Sedan, Adenau, Walporzheim, Diedenhosen, Metz, Nancy, St. Vith, Malmedy, Rüdesheim, Bonn, Weinsheim, Heidelberg, Cochem usw. usw. einen Schatz zu haben sich einbildete - das Inland nicht mitgerechnet.

Dieser Verein wurde vor vierzig Jahren gegründet, am 2. April 1884. Es gibt wohl kaum einen Sport- verein in Luxemburg, der auf eine so lange Vergangenheit zurückblickt und für die Zukunft den Keim zu einem so langen Weitergedeihen in sich trägt. An ihm wird deutlich, daß auch im Beharren Fortschritt liegt. Seine Gründer und Leiter hatten erkannt, daß es sich beim Fahrrad um ein neues Fortbewegungsmittel von demokratischem Charakter handelte, nicht nur um einen Sportsaktor, der auf Rennbahnen seine Hauptaufgabe erfüllen wollte. Und sie taten das Richtige, sie gründeten ihren Verein auf den praktischen Gebrauch, der von dem Rad zu machen war, mit einem starken Einschlag von sportlicher Unterhaltung allerdings. Aber die Hauptsache blieben ihnen die Ausflüge, nicht die Rennen. Ganz im Anfang wurden allerdings auch Rennen organisiert, zur Popularisierung, aber es war in den Jahren, wo noch das hohe Rad allein herrschte und das Kettenrad allen Rittern vom Pedal ein Gegenstand milder Verachtung war. Die Rennen fanden auf dem Glacis, auf einer primitiv hergerichteten Flachbahn statt, und wie gesagt ausschließlich auf hohen Rädern. Später verzichtete der V. C. immer konsequenter auf den Rennsport und sorgte nur dafür, daß seine Mitglieder Freude am Rad behielten, weil es ihnen die Möglichkeit bot, in geselligen Rudeln das Land und die umliegenden Bierdörfer zu durchstreifen, herrliche Sonntagsausflüge mit Pick-nick am Wasser und im Wald zu machen - wozu die nichtradelnden Familienmitglieder mittels anderer Fahrgelegenheit mitgenommen wurden, auch wieder ein Beweis, wie klug die Clubleitung das Richtige zu tressen wußte.

Und so sehen wir, wie sich Großes im Kleinen spiegelt, das Weltbild in einem wackern luxemburger Radfahrerverein. Der V. C. L. ist wie die befriedete Welt, die das Leben als ein Gegebenes, an und für sich Schätzenswertes hinnimmt, ohne daß es ihr notwendig scheint, auf Kosten anderer immer mehr und anderes zu erkriegen und zu errennen. Die einen fahren Rad, weil Radfahren an und für sich etwas Nützliches und Angenehmes ist, die andern fahren Rad, um zu zeigen, daß sie es schneller können, als andere, und weil sie von der Fabrik dafür bezahlt werden. Es ist die Welt im Frieden und im Krieg.

Wir halten es mit dem V. C. L.

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KatalognummerBW-AK-012-2618