Da saßen wir also als Aprilwitz-Areopag um den grünen Tisch und waren perplex.
Zunächst quantitativ. Die eingesandten Aprilscherze türmten sich vor uns wie die Schneewehen im Ösling. Es waren ausgezeichnete darunter, sehr gute, gute, minder gute, ein paar schlechte und viele, die keine waren.
Ich siehe nicht an zu sagen: Wir schwankten. Jetzt meinte der eine, der von den Spatzen sei der beste, der andere meinte, der von den neuen Briefmarken verdiene den Vorrang. Zwei Minuten später hatten sie ihre Meinung übers Kreuz geändert, der andere hielt es mit den Spatzen, der eine mit den Briefmarken, einem dritten gefiel diese, einem vierten jene Mystifikation besser.
Der jüngste Setzerlehrling kam mit einem Korrekturabzug herein. Jemand hatte den demokratischen Einfall, ihn zu Rate zu ziehen.
Er schürzte verächtlich die Lippen und äußerte: „Bildet Euch nur nicht ein, daß Euch jemand auf den Leim geht! Wenn Ihr sechs Wochen vorher die Zeitung vollschreibt: Achtung, Aprilwitz! so könnt Ihr am 1. April ruhig Tausendfrankenscheine an Fäden zum Redaktionsfenster hinaushängen, es wird niemand darnach greifen, aus Angst, sich zu blamieren!“
Also der jüngste Setzerlehrling.
Wir mußten ihm recht geben. Es konnte also nicht mehr darauf ankommen, wer die perfidest ausgeklügelte Falle ersonnen hatte, sondern wer ihr die originellste Form gegeben hatte.
Auch da war wieder die Wahl schwer. In der engeren Auswahl fanden sich Scherze, die sich durch Humor, durch treffende politische Anspielungen usw. auszeichneten. Und wir waren immer noch perplex, diesmal qualitativ.
Da kam die Rettung.
Der Lektor nahm vom Hausen ein Briefbogenblatt, entfaltete es und las:
„Bei der gölle Frasitze oben eine schöneweisse Katze.Anna WegenerGartenstrasse Nr. 9Differdingen.“Niemand von uns hatte eine Ahnung, wer Anna Wegener aus Differdingen war, ob sie alt oder jung, hübsch oder nicht hübsch, verheiratet oder ledig, reich oder arm war. Der Schrift nach war sie anscheinend nicht in einem vornehmen Pensionat erzogen, die Züge deuteten auf normale Volksschulbildung.
Aber es kam wie aus einem Munde:
Habemus papam!
Im «Gendre de Monsieur Poirier» erzählt der adlige Schwiegersohn seinem Spießbürger von Schwiegervater von einem Stilleben, auf dem Zwiebeln dargestellt sind: „Es sieht nach gar nichts aus und doch laufen einem dabei die Augen voll Tränen.“
Auch diese drei Zeilen sehen nach gar nichts aus, aber wenn Sie nur zehn Sekunden nachdenken, lachen Sie darüber, wie über den besten Witz.
Zunächst: Kürze, des Witzes Würze!
Jeder muß sich direkt fragen: Wie kommt die weiße Katze oben auf die „Gölle Fra“? Und wie wird sie sich dort oben benehmen? Alle Familien in der Stadt, die eine weiße Katze ihr eigen nennen, geraten sofort in Aufregung, ob vielleicht ihre eigene Miesy den abenteuerlichen Ausflug gemacht hat. Wie kommt die weiße Katze wieder herunter? Soll die Feuerwehr mobil gemacht werden? Man stelle sich den Volksauflauf vor! Und wie werden sich sämtliche Kater der Stadt zu der Sachlage verhalten?
Das sind wahrscheinlich die Gedanken, die der Preisträgerin durch den Kopf gingen, als sie auf ihren lustigen Einfall kam. Der Einfall ist, wie Sie sehen, so fruchtbar in seinen Auswirkungen, wie es kaum ein anderer sein kann. Ja, es bräuchte nicht wunderzunehmen, wenn jener junge Mann, der seinerzeit den Obelisk der „Gölle Fra“ erkletterte, um ihr einen Gartentisch in die Hände zu drücken, nunmehr das Experiment wiederholte, um ihr eine weiße Katze auf den Scheitel zu setzen.
Was uns ferner an dem Einfall bestach, war die ästhetische Seite. Die Einsenderin spricht ausdrücklich von einer „schönen“ weißen Katze. Das Bild wäre allerliebst.
Wir wissen heute, daß die Preisträgerin eine brave Arbeitergattin und „zahlreiche“ Familienmutter ist. Um so lieber werden unsere Leser ihr den Preis gönnen und die leer ausgehenden Konkurrenten werden sich mit uns neidlos an der schönen weißen Katze freuen, die von der Schulter der „Gölle Fra“ dem Frühling entgegen mkaut.