Original

2. April 1924

Morgen abend spielen sie im Luxemburger Stadttheater zum 150. Mal „D’Joffer Marie Madeleine“, die luxemburger Spieloper, zu der Josy Imdahl den Text und Louis Beicht die Musik geschrieben haben.

Wer als Luxemburger einer Aufführung dieses Stückes beigewohnt hat, begreift sofort den Erfolg, den es auf allen besseren Dilettantenbühnen des Inlands und bei manchen luxemburger Bühnenvereinen des Auslands davongetragen hat. Es ist der gehobene Typ jener Gattung unserer dramatischen Literatur. die in geschickter, volkstümlicher Weise Freude und Leid, Glück und Ungemach zu mischen weiß. Es werden Menschen in Szene gesetzt, die auf das Leben weich und starr, gemütlich und zornig, materiell und sentimental reagieren, immer mit der Mentalität, die in ihren Kreisen heimisch, die ihnen sozial und national eigentümlich ist. Ein schlichtes Publikum mit unverdorbenem Geschmack sieht sich dankbar im Spiegel dieser Schicksale und Erkebnisse und lacht und weint mit seinesgleichen.

Josy Imdahl, der Verfasser, ist unsern Lesern kein Unbekannter, auch wenn sie ihn nicht als den Vater der „Marie Madeleine“ kennen sollten. Er hat Beweise dafür erbracht, daß er das Bühnendilettantentum, das überall im Lande wild wuchert, zu einem wirklichen Kulturfaktor veredeln will, er hat als Erster den Versuch gewagt, die Liebhabervereine zu einem Verband zusammen zu schließen, der sich einem Statut unterwersen und seine Tätigkeit nach Regeln bestimmen will, die auf die Dauer einen fördernden Einfluß auf das Niveau ihrer Darbietungen ausüben müssen.

Josy Imdahl verdanken wir das volle Gelingen der Aufführungen, die im vergangenen Sommer zur Dicks-Jahrhundertfeier veranstaltet wurden. Aufopferung und Anspruchslosigkeit kennzeichneten seine Mitarbeit. Er brachte die Truppe zusammen, leitete die Proben, führte die Regie, sorgte sich unablässig um die Dekorationen, lebte wochenlang in seiner freien Zeit nur für die Aufgabe, die er aus Liebe zur Sache übernommen hatte und begnügte sich dafür mit dem Lohn, der in solchen Fällen immer denen zuteil wird, die unentgeltlich und uneigennützig sich für ein Werk einsetzen. Und wenn es nicht Dank ist, so reimt es doch darauf.

Louis Beicht hat zu „Josser Marie Madeleine“ eine Musik geschrieben, die in ihrer Art ebenso charakteristisch ist, wie der Text. Er gehört zu einer luxemburgischen Musikerdynastie, von der sich mehrere durch melodiöse Schöpfungen populär gemacht haben. Man kennt von ihm Lieder, die als Perlen von Gefühl und Humor geschätzt werden, mit seiner „Marie-Madeleine“-Partitur tritt er nunmehr aus dem Halbschatten der kleinen Vorstadtbühnen ins helle Rampenlicht des Stadttheaters.

Und so sehen wir in der Zusammenarbeit dieser beiden, die mit dem heiligen Feuer das Talent verbinden, die edelste Form des Kunstdilettantismus verwirklicht, den Drang, über das trockne, aber notwendige Tagewerk hinaus Werte zu schaffen, die in das Reich der Schönheit gehören.

Um den heimischen Charakter des Abends zu vervollständigen, sind die Rollen in die Hände der besten luxemburger Darsteller gelegt. Unter ihnen befinden sich Venant Paucké, von der Pariser Komischen Oper, und Frl. Verhaegen, die bei den Dicksausführungen im letzten Sommer mit ihrem einsach lieblichen Spiel und ihrem schönen, trefflich geführten Organ einen so durchschlagenden Erfolg hatte.

Wer für diese Vorstellung von morgen abend Reklame macht, wird damit bei allen, die sich daraufhin das Stück ansehen, aufrichtigen Dank ernten.

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KatalognummerBW-AK-012-2622