Original

4. April 1924

Aus Trier ging mir vor zirka einem Monat, unterm Datum vom 3 März, folgender anonyme Brief zu:

Sehr geehrter Herr Redakteur!

Kürzlich las ich in Ihrem Blatt, daß wir Trierer, als Cousins, bei Ihren Landsleuten immer einen Stein im Brett hatten; gemerkt habe ich leider bisher nichts davon und würde ich es auch nicht riskieren, diese Behauptung bei unsern jetzigen Besuchen an den Mann zu bringen, denn es gibt anscheinend auch unter Ihren Landsleuten solche, die von ihren Cousins nichts wissen wollen. Darum liest man auch ab und zu, daß dies oder jenes Besitztum verkauft wurde und daß der Käufer wieder ein „Preiß“ ist. Als ob dabei etwas wäre, denn wenn man bei Euch die Abstammung etwas unter die Lupe nimmt, so stellt es sich heraus, daß gerade die, welche den „Cousin Preiß“ nicht anerkennen wollen, von einem „Preiß“ abstammen. Wieviele haben mir in den Jahren 1914- 17-18 nachgewiesen, daß sie nahe Familienbande nach rechtsmoselig hätten usw. Die Zeiten ändern sich aber und dann auch die Bedürfnisse nach einem Cousin! Das macht aber dem guten Verhältnis zwischen Trier und Luxemburg keinen Abbruch, denn Ihre Geschäftsleute machen wieder alles gut, wenn wirklich etwas gut zu machen ist. Schon alleine eine gute Portion Schlagsahne mit dem nötigen Nebenher bei Ihrem einzigen *** wird uns alle veranlassen, jede beabsichtigte oder unbeabsichtigte Voreingenommenheit Ihrer Landsleute zu entschuldigen. Was wir weiter recht wohltuend sinden, ist die ausgesprochene Höflichkeit Ihrer Geschäftsleute; es ist alles da, ohne Einschränkung, Preisnachlässe werden bei entsprechenden Käusen gerne bewilligt, wohingegen wir bei unsern Herren Geschäftsinhabern mit Ausweis und so weiter geplagt wurden und gewärtig sein mußten, 50, 100 und 200 Prozent mehr zahlen zu müssen, wenn wir im Verdacht standen, Ausländer zu sein. Gott sei Dank ist das heute ja auch bei uns wieder anders geworden, dies aber nur dank der schönen Goldmark, für die wir ja heute alles umsonst bekommen, wenn wir ins Ausland uns bemühen! Hoffentlich lernt Ihr nicht allzuschnell uns das mit der Goldmark nachmachen, denn dann würde es aus sein mit den Ausflügen nach Luxemburg und müßten wir auf die guten Mosel- und Rheinweine, die bei uns unerschwinglich für Ausländer geworden sind, verzichten. Dann könnte es wiedergeschehen, daß die Herren Luxemburger in der Porta sitzen und sich die „best Fläsch“ bestellen und französisch parlieren.

Wir sind überzeugt, daß Ihre Landsleute es uns nicht verargen, daß wir die früheren so häufigen Besuche in Trier bei Ihnen daheim erwidern und verspreche ich Ihnen, so viel wie möglich mein Teil dabei zu tragen, daß wir in dieser Beziehung quitt werden. Die Anschaffung einiger kleiner Liegenschaften bei Ihnen soll nur zur Erinnerung an die nahe Verwandtschaft zwischen hüben und drüben geschehen, womit wir Sie einverstanden denken.

Mit Gruß Ihr Cousin Pit.“

Dieser unbekannte Cousin Pit wird inzwischen seinen Humor um ein paar Töne herabgestimmt haben. Es sieht mir ganz darnach aus, als ob er zu denen gehörte, die bei der Spekulation auf die Frankenbaisse hinterher mit der Sonntagshose hängen geblieben sind.

Im übrigen scheint er ja kein übler Kerl zu sein und in Manchem hat er recht. Wenn die Trierer hübsch brav sein und sich den preußischen Einschlag gründlich herauspurgieren wollten, so will ich nicht sagen, daß wir sie nicht eines Tages annektieren.

TAGS
  • Letter
KatalognummerBW-AK-012-2624