Als zuerst Rede von unserm wirtschaftlichen Anschluß an Belgien ging, keimte in den Herzen unserer Winzer an der Mosel die Hoffnung, daß sie Belgien als Absatzgebiet erobern würden.
Es war schwer. Wein ist ein Produkt, das die Belgier nur aus zweiter Hand kennen, da sie in ihrem Land keinen Weinbau treiben. Getränk als Genuß- mittel tritt bei ihnen meist als ein chemisches Erzeugnis in die Erscheinung, wie eine Zahnpasta, ein Parfum, eine Embrocation oder ein Geheimmittel in der Art der Pinkpillen.
Da sind wir, scheint’s, bei einem großen Teil der Belgier heute mit unserm luxemburger Grächen angelangt. Er wird drüben unter dem Schutz einer primitiven Gesetzgebung als Retortenprodukt hergestellt. Nichts ist so geeignet, die unverwüstliche Gesundheit der belgischen Rasse ins Licht zu rücken, wie diese Tatsache, daß unsere Zollbundesgenossen als luxemburger Wein manchmal eine Brühe genießen, von der Meerschweinchen eingingen, wenn man sie ihnen in Minimaldosen einspritzte.
In großen belgischen Restaurants kann man heute die ersten Marken der luxemburger Mosel für zwei, drei Francs die Flasche trinken. In der nächsten Apotheke kann man das Rezept dazu bekommen. Sie haben also die Namen unserer guten Kreszenzen, aber nicht die dazu gehörigen Weine eingeführt. Die fabrizieren sie drüben billiger. Wenn man Bier braut, warum soll man nicht Wein fabrizieren können!
Ich traf eines Tages im Zug einen luxemburger Großwinzer, der von einer Rundreise durch Belgien zurückkam. Er war mit geschwellten Hoffnungssegeln hinausgezogen, sicher, seine ganze 1921er Ernte im Handumdrehen an den Mann zu bringen. Und was hatten sie ihm überall geantwortet? Ihr Wein ist zu sauer!
Der Zucker- und Gottbegnadete Einundzwanziger zu sauer! Und dann gehen sie hin und trinken, was ihre Fabrikanten ihnen als Wormeldinger Köpchen vorsetzen!
Schütten wir das Kind nicht mit dem Bade aus. Es gibt auch kluge Belgier, die längst hinter die Tugenden unseres Grächen gekommen sind und die wissen, daß eine Hauptsache beim Wein die Bekömmlichkeit ist. Als es noch die gottverfluchten Weinschmierer nicht gab, da entstand das Wort: Vinum laetificat cor hominis. Das klingt wie aus einem frommen Psalm. Der Wein erfreut des Menschen Herz. Aber nur, wenn er im Weinberg, nicht im Laboratorium gewachsen ist. Heute gibt es Wein, der den Trinker dumm und krank macht, von Herzerfreuen ist bei ihm keine Rede. Ein orientalischer Weise hat gesagt, die Zecher seien ihm die liebsten, die nicht des Genusses, sondern des Rausches wegen trinken. Er meinte nicht den Mordsrausch, der den Mann unter den Tisch wirft, sondern gewissermaßen den Qualitätsrausch, der alle Kraft und Eigenschaft steigert und den nur der Wein verschafft, der in der Sonne reift. Die Wirkung solchen Weines ist durch keine chemische Mischung zu erzielen. Er besitzt eine besondere Art von Radioaktivität, die seine Seele ist und sein Wesen. Haben die Chemiker noch nicht daran gedacht, diese Radioaktivität, diese aufgespeicherte Sonnenenergie beim Wein zu messen und an ihr einwandfrei nachzuweisen, ob und bis zu welchem Grade ein Wein vinum de vite, Rebensaft, oder ein betrügerisch erköcheltes Handelsprodukt ist, das als Getränk nicht besser ist, als die Abwässer einer Gerberei?