Stellt Euer Zweiglein Seidelbast und die ersten Veilchen und Anemonen auf den Tisch, färbt Eure Ostereier freudig bunt, versteckt sie in den ersten Schößlingen der Rhabarberblätter und den Schneeglöckchenbüscheln und hinter den braunen Frühlingsschollen und im bitter duftenden Buchsbaum, singt Osterlieder und schaut Euch hoffnungsfreudig und erlöst in die Augen und bildet Euch ein, daß Ostern ist.
Ich glaube noch nicht dran. Heute, am Charsamstag nachmittag, wo doch schon die Osterfreude ihren Morgendämmerschein voraussenden sollte, ist noch immer nicht die gütige Milde in der Luft, die mit dem Osterfrieden einziehen sollte. Der scharfe, trockne Nordost aus der Richtung Berlin, der die letzte Zeit über herrschte, macht noch immer die Stimmung. Die Knospen schimmern an den Zweigenden wie schüchtern zögernde Flämmchen, kaum entzündet an dürftigen, mageren Dochten. Sie warten darauf, daß Ostern wird, um sich der Sonne zu öffnen. Sie glauben nicht an Ostern, wie’s im Kalender steht. Das schreiben die Menschen so hinein, wie sie den Frieden in den Versailler Vertrag geschrieben haben. Aber solange der trockne, kalte Nordost den Ton angibt und mit Nachtreifen auf der Lauer liegt, wird es nicht Ostern und wird es nicht Friede..... ..................
Die Wetterfähnchen stehen seit heute früh nach Westen. Der Wind dreht sich. Vielleicht fließt bis zum Abend von Süden her die erlösende Milde in die Luft, die alle Starrheit und alles Mißtrauen löst. Vielleicht ist es, wenn Ihr dies lest, wirklich Ostern geworden.
Vielleicht?