Original

1. Mai 1924

Das Handwerk bekommt ganz sicher über kurz oder lang wieder einen goldenen Boden.

Schon blüht die Schusterei wieder auf. Immer klarer wird es dem Kulturmenschen, daß er sich seine Schuhe nach Maß bauen lassen muß. Sie dauern zweimal länger und dürfen daher schon annähernd doppelt so viel kosten, als Fabrikschuhe. Die Hauptsache aber, sie passen. Wenn irgendein Kleidungsstück auf Maß gefertigt werden muß, so ist es der Schuh. Eine Hose, ein Rock, eine Weste dürfen schon schlecht sitzen, das ist ein ästhetischer Mangel, aber es hat für die Gesundheit keine dauernden Nachteile. Von einem zu weiten Rock kriegst Du keinen Buckel und von einer schlecht geschnittenen Hose keine krummen Beine. Schuhe aber, die drücken, sind die Väter von allerhand. Gebresten: Hühneraugen, eingewachsene Nägel, krumme Zehen usw. Und der Rhythmus des Ganges wird dadurch beeinträchtigt. Da draußen läßt man sich seine Arbeitsschuhe auf Maß machen, wenn man auch die Sonntagsschuhe fertig im Laden kauft. Denn jene trägt man sechs. Tage in der Woche von morgens bis abends in ausrechter, schwerer Fron, Sonntags kann man schon ein bißchen Unbequemlichkeit in den Kauf nehmen. Es wird wieder dahin kommen, daß an allen Ecken und Enden sich ein Schuster oder meinetwegen Schuhmachermeister auftut; der uns wie in der guten alten Zeit unsere Schuhe nach Maß anfertigt und dabei sein schönes Auskommen findet.

Ein anderes Handwerk, die Schreinerei, ist seit Jahren kräftig im Aufblühen. Diese verdankt ihren Aufschwung den Werkzeugmaschinen und Matoren, und wenn einmal der elektrische Kraftstrom durch das Land kreist, werden der neumodischen Werkstätten mit Treibriemen noch viel mehr werden.

„Was bauen sie da?“ - „Eine Schreinerei.“ - Diese Frage und Antwort können Sie heute an Mosel und Sauer, an Attert und Syr, in allen Gegenden des Landes hören. Irgendwo auf einem entlegenen Dorf hat sich einer eine prächtige, lustige Werkstatt gebaut, hell und geräumig, mit den neuesten Werkzeugmaschinen - es muß eine Lust sein, darin zu arbeiten. Halbfertige Möbel stehen herum, nicht mit exotischen Modehölzern trügerisch fourniert, nein, solides heimisches Eichen, für lange Geschlechterreihen berechnet. Ihr Kätty und Lisy und Märrichen, wenn Ihr heiratet, geht zu solchem Dorfschreiner - vielleicht liegt daheim bei Euch an einem Scheunen- oder Stallgiebel ein Stapel alte Baumstämme, Eichen, Buchen, Nußbäume, Apfel- oder Zwetschge@ da von laßt Euch die Möbel machen für Euer @ Heim.-Ihr könnt das, Ihr könnt Euch ein@ leisten, in dem Ihr daheim seid zwischen den H@ die seit Geschlechtern auf Euerm Grund und @ gewachsen, von den Händen Eurer Urgroß@ pflanzt waren. Da könnt Ihr sagen: Wir @ die bleiben, die Bodenständigen! Und Ihr f@ an dem lebendigen, warmen Braunrot des @ baumholzes, das der Dorfschreiner geschickt ver@ hat, in dem das von Euern Großmüttern ge@ Linnen dustet, freut Euch an dem zart gem@ Hellbraun der Nußbaumholzmöbel, dem kr@ Ton der trotzigen Eichenschränke. Dann wird der @ schreiner nicht mehr der arme kleine Handwe@ dem die Propheten der Weltwirtschaft den Unt@ prophezeien, sondern ein Meister, ein Kün@ seiner Art, ein Kulturfaktor, der der Zeit ein@ ihres Gepräges geben kann.

Gott segne das ehrsame Handwerk und verhel@ so bald wie möglich zu einer le@stungsfähige@ landzentrale!

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  • work: crafts
KatalognummerBW-AK-012-2646