Original

6. Mai 1924

Wir werden wahrscheinlich in unserm Land keine Religionskriege mehr erleben. Aber es ist nicht ausgeschlossen, daß sie sich in unserer Landesvertretung noch einmal wegen der Pferdefrage die Köpfe einschlagen werden.

Die Pferdefrage ist so alt, wie unser Parlament. Denn seit es Bauern gibt, gibt es eine Pferdefrage. Das Pferd ersetzte lange dem Bauer alles, was dem Städter die Großstadt an Aufregungen bietet. Wer dazu die Mittel hatte, wurde was der Volksmund „Pferdegeck“ nannte. Die gab es auf jedem Dorf, sie oehörten zu den besseren Landwirten und von ihrem Fortkommen wurde nicht immer viel Rühmliches erzählt. Es ist nicht umsonst, daß der Mann, mit dem der „Pferdegeck“ in der Regel zu tun hatte. auf deutsch „Roßtäuscher“ hieß, und daß im amerika nischen Westen in den Kreisen der großen Farmer, für die die Pferdefrage eine Lebensfrage ist, das Wort «Horse-wrangler» so viel wie Pferde-Krakehler bedeutet. Das Pferd als Handelsobjekt war nie eine Ware «de tout repos», wer sich mit dem Pferdehandel abgibt, muß mit allen Wassern gewaschen sein.

Die Pferdefrage hatte für unsere Landwirtschaft und für die, die ihr unter die Arme greisen wollten, immer zwei Seiten: Welches Pferd sollte man züchten? Wie sollte man sich das erforderliche Zuchtmaterial beschaffen?

Heute scheint die erste Frage zugunsten des belgischen Pferdes gelöst. Nur weiß man noch nicht, ob man sich für das schwere, mittlere oder leichte entscheiden soll.

Vor dreißig, vierzig Jahren ging ein heißer Streit darum, ob wir bretonisches oder belgisches. Zuchtmaterial einführen sollten. Damals schenkte der König-Großherzog dem Lande zwei prachtvolle Hengste - ich glaube, es waren Percherons -, die ihr Gewerbe im Herumziehen ausüben und die Rasse verbessern sollten. Ihre Nachkommen wurden indes gar nicht so zahlreich, wie der Sand am Meere, es kreist kaum noch ein Tropfen ihres Blutes in den Adern des luxemburger Pferdebestandes.

Vor zwanzig, fünfundzwanzig Johren ging es bei den Büdgetdebatten um den Artikel der Pferdeveredlung immer hoch her. Herr Bouvier war für die bretonische, Herr de Blochausen für die belgische Rasse, Herr Weicker ließ die Rassefrage beiseite und sprach lange von der Methode, die man beim Ankauf befolgen sollte. Das System der freien Einfuhr durch Händler, Landwirte usw. hatte sich nicht bewährt, dagegen arbeitete die Kommission zur vollen Zufriedenheit des Herrn Weicker. Herr Bouvier beantragte damals einen Kredit für die Einfuhr bretonischer Pferde, Herr Büffet von Wiltz erklärte, er werde nicht dafür stimmen, «parceque, à mon avis, un bon chéval est toujours im bon choval comme une bolle femms est toujours une belle femme!»

Zehn Jahre später flammte der Streit nochmals auf. Es war in den Tagen, wo durch die Rede eines biedern Landdeputierten ein gewisser schwarzer Hengst berühmt wurde und wo mächtig an den Grundvesten gerüttelt wurde, auf denen die Kommission stand. Hier ein kleiner Auszug aus dem Kammerbericht vom 30. Januar 1903:

„Der betr. Landdeputierte: Wenn unser Bauer nicht imstande ist, mit einem Tierarzt ein Pferd kaufen zu gehen, dann stricken Sie ihn lieber an die Krippe und geben ihm Stroh zu fressen. (Hilarité hruyante.)

„M. R. Brasseur: Tony soit qui mal y pense.“

Die Tage der Kommission schienen gezählt. Es kam zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses unter dem Vorsitz des Herrn M. Welter. Bei einer der Sitzungen dieses Ausschusses tat ein alter Hengstehalter folgenden Ausspruch. Als ihn der Vorsitzende frug, was er von dem Pedigree des betreffenden Pferdes zu sagen wisse, sagte er entrüstet: „Et woar kee petit gris, et waar e schwe’ere Fochs!“

Und heute sind wir anscheinend wieder so weit, daß die Leidenschaften der Pferdekenner noch hestiger, als jemals, aufeinander platzen.

Und da sagen sie, das Pferd stirbt aus!

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