Heute fühlt die Bevölkerung von Bonneweg etwas wie eine Neubelebung der Gefühle, mit denen an einem schönen Oktobertag des Jahres 1859 die Stadtluxemburger zum ersten Mal von der Freitreppe des Stadthauses den „Feierwon“ hörten: ... dat mir nun och de We hu fondt ....
Sie sind von heute ab angeschlossen an den großluxemburger Trambahnverkehr und damit in den hauptstädtischen Umtrieb ganz und gar und gleichwertig einbezogen.
Es war um 1875 herum, als eine Gesellschaft die Konzession erhielt, durch die Straßen der Stadt eine „amerikanische Eisenbahn“ zu bauen. Das war die Pferdebahn, die vom Bahnhof her bis ans Neutor fuhr, ein ganzes Menschenalter hindurch. Ich erinnere mich, wie unser Schulkamerad, aus dem später der sympathische Dr. Franz Müller geworden ist, eines Morgens zur Klasse kam und erzählte, er sei nun zum ersten Mal mit dem Tram gefahren. Der Wagen habe derart geschüttert, daß den Passagieren die Zähne geklappert haben.
Seinen amerikanischen Namen behielt der Tram bis auf den heutigen Tag. Anderswo heißt er „die“ Tram, die Elektrische, die Pferdebahn, die Straßenbahn, für uns ist er unentwegt der Tram. Tausende von Luxemburgern sind mit dem Pferdetram groß geworden und haben immer noch nicht die Trillerpfeife der Trambahnfahrer vergessen, immer noch klingt ihnen in den Ohren das Getrappel der beiden Gäule, das sich in das Dröhnen der Schienen und das Rädergerassel mischte, immer noch ist ihrer Erinnerung der Handgriff vertraut, mit dem der Fahrer am Ende der Strecke das Pferdegesträng mit dem Bolzen vorne loshob und für die Rückfahrt am andern Ende wieder einhakte. Und auch die Gesichter der Fahrer und Schaffner sind uns unvergessen.
Jahrzehnte lang ging im Gemeinderat die Hinund Herdebatte über Vorteile, Risiko, Notwendigkeit, Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Ersetzung des Tram durch eine Elektrische. Schließlich siegte der ruhige Starrsinn Xavier Brasseur’s über alle Bedenken und im Sommer 1908 fuhr der erste elektrische Triebwagen mit geladenen Gästen zur Einweihung der neuen Bahn vom Limpertsberger Depot bis zum Bahnhof. Zum ersten Mal wurde die Stadt durchflötet vom Großstadtgeräusch, das die Räder der Elektrischen in den Kurven machen, zum ersten Mal hörte der Siebenschläfer die Klingel der vorbeidröhnenden Wagen in seinen Morgenschlummer tönen. Und heute findet sich jeder Großluxemburger zurückgesetzt und aus der Bürgermeinschaft ausgestoßen, wenn keine Elektrische an seinem Hause hält oder wenigstens vorbei fährt.
Nur mein Freund Grimberger ist dagegen.
„Ihr mögt,“ so knurrt er, „Trambahnen bauen, so viel Ihr wollt, die Theorie gibt Euch unrecht und gibt einem früheren Bürgermeister von Luxemburg recht, der behauptete, eine Elektrische sei nur zulässig in Städten mit 60 000 Einwohnern und darüber. Dazu kommt, daß zwischen Oberfläche und Besiedelung ein ganz bestimmtes Verhältnis bestehen muß. Solange dies nicht erreicht ist, widersetzt sich die Theorie ausdrücklich dem Bau und Betrieb einer elektrischen Trambahn.“
„Aber bester Herr Grimberger, unsere Elektrischen fahren, das Publikum verlangt sie, es will sie nicht mehr entbehren.“
„Das Publikum hat unrecht. Die Masse hat immer unrecht. Eure Trambahnen sind ein Schlag ins Gesicht der Wissenschaft.“
So müssen wir denn heute ohne Zustimmung des Herrn Grimberger die Bonneweger Trambahnstrecke einweihen. Um so schlimmer für ihn. Die Bonneweger pfeifen auf die Theorie, wenn die Praxis ihnen einen Tram beschert.
Das muß man sagen, wir haben hier den Rekord der Fortbewegungsmittel. Unsre Eisenbahnen rühmen sich der höchsten Kilometererträge, wir haben, sagen sie, die meisten oder annähernd die meisten Automobile im Verhältnis zur Kopfzahl der Bevölkerung, wir haben wahrscheinlich auch die längste Trambahnstrecke, wenn man das durchfahrene Gebiet mit der Bevölkerung vergleicht, wir machen unserer Lage im Herzen Europas Ehre und wir dürfen ruhig singen.
Kommt Dir aus Frankreich, Belgie, Preisen,Mir wöllen Jech ons Hemecht weisen!