Es war ein Mann, der hieß Johannes Lauterwein.
Der Name enthält eine Erklärung und einen Widerspruch.
Die Erklärung: Der Mann trank nur Wein, nichts als Wein, mit Ausschluß von Biet, Limonade, Met. Milch, Pulque, Schnaps und selbstverständlich Wasser. Doher der Name Lauterwein.
Der Widerspruch: Trößdem er Johannes hieß hatte er nichts von einem Täuser an sich und war grundsätzlich gegen jeden Taufalt, sobald sein Lieblingsgetränk in Betracht kam.
Johannes Lauterwein stand über allem, was den Wein betraf, wie ein lieber Herrgott. Was mit dem Wein zusammenhing, gehörte von Haus aus zu seinem Bereich. Wären die ganzen Weinberge und Kellereien mitsamt der Winzerschaft ein Orchester, so wäre Johannes Lauterwein der Dirigent gewesen.
Es war ihm unter solchen Umständen eine Ehrensache, nur Wein zu trinken. Er trank lieber den guten, den besten, aber er verstand auch die Kunst, mit feiner Zunge und „dünner“ Nase aus dem weniger Guten die Vorzüge herauszukosten. Ganz wie ein vortrefflicher Pädagoge auch bei minderbegabten Schülern herausfindet, zu was sie trotz allem doch noch Talent haben.
Genoß Johannes Lauterwein einen guten Tropsen, so wiegte er ihn auf der Zunge, schnalzte hohl, legte den Kopf zurück, wie ein Huhn beim Trinken, damit die kostbare Flüssigkeit langsam, nur dem Gesetz der Schwere folgend, ihm den Schlund hinunterlief und alle irgendwo vorhandenen Geschmacks- und Geruchsnerven ausgiebig liebkoste. Trank er dagegen gelegentlich einen weniger Guten, so sagte er mit väterlicher Nachsicht: „Sauer ist ja der Kerl, das muß ich sagen, aber trinken läßt er sich doch, weil er bran und ehrlich ist und aus sich nicht mehr machen will, als er ist.“
Es kam vor, daß jemand, der Johannes Lauterwein nicht so intim kannte, ihm vorschlug, ein Glas Bier zu trinken. Johannes Lauterwein wies das wie eine schändliche Zumutung ruhig, aber energisch von der Hand. „Wo denken Sie hin! Ich und Bier! Noch kein Tropfen davon ist über diese meine Lippen gekommen!“
„Es gab Leute, die das nicht glaubten. Sie taten sich zusammen, um Johannes Lauterwein zu beschämen. Sie organisterten zu diesem Behuf einen weitverzweigten Spionagedienst. Johannes Lauterwein hat nie erfahren, wie es zum Beispiel kam, daß wochenlang, wo er sich an einem Wirtstisch niederließ, sofort an einem Nachbartisch die Herren König und Delleré unauffällig Platz nahmen, die Mitglieder der gerichtlichen Polizeibrigade, die schon so manche Schwerverbrecher entlarvt haben. Aber es gelang ihnen nicht, Johannes Lauterwein auch nur des winzigsten Glases Bier zu überführen.
Am Himmelfahrtstag begegnete mir irgendwo an der Mosel ein gemeinsamer Freand. Er trat mich an mit Leichenbittermtene und sagte:
„Hast du schon gehört, der arme Johannes Lauterwein?“
„Wie!“ rief ich zu Tode erschrocken, „tot?“
„Nein, schlimmer! Er trinkt jetzt (Bier.“)
Ich wollte es nicht glauben.
„Tatsache, leider! Ich traf ihn dieser Tage, wie er grade im Begriff stand, einen schäumenden Humpen an die Lippen zu setzen. Ich frug ihn, ob er krank sei, da schüttelte er elegisch den Kopf und sagte: „Ich war in meinem Leben noch nicht krank, aber Freund, die Mosel ist krank. Fuderweise liegt überall der reine Wein unverkauft in den Kellern und in den Wirtschaften setzen sie einem eine Brühe vor, die nach Laboratorium riecht. Ich hätte davon auf die Dauer die Kränke gekriegt. Mein Portemonnaie auch. Da drückte ich die Augen zu und begann Bier zu trinken. Finis Poloniae!“
Der arme Johannes Lauterwein! Wer kann ihm helfen? Nur die Sonne. Sie hat es bis jetzt gut mit ihm gemeint. Warum soll sie nicht auch weiter ein Übriges tun, damit im Herbst ein guter Tropfen zur Kelter kommt und Johannes Lauterwein gegen Martä Lichtmeß dem Bier wieder Valet sagen kann?