Ich träume, neben mir in dem Riesenbaum klettern Grünspechte den Stamm hinauf und herunter und hämmern emsig mit den Schnäbeln nach dem Gewürm, das sich in der Rinde verbirgt.
Von dem Gehämmer werde ich wach. Es kommt von dem Neubau herüber. In aller Früh sind die Arbeiter eingezogen.
Erst wird mir die Bedeutung des Vorgangs nicht klar. Bis es scharf in mein Bewußtsein tritt: Es ist heute Montag.
Ja, was soll denn das jetzt heißen! Montag früh, und der ganze Bau dröhnt von Arbeit!
Wird denn nicht mehr blau gemacht? Soll es wirklich so weit sein, daß die Poesie des blauen Montags aus der Welt geflohen ist? Das kann doch nicht sein!
Sehen Sie, man kann dem blauen Montag alles um seines Epithetons willen verzeihen.
Blau! Blau ist der Himmel, blau ist das Meer, wenn es am schönsten ist, blau ist das Ange der Geliebten, blau ist die zart verdämmernde Ferne, blau sind unsere schönsten Träume, blau ist die Blume der Romantik. Und blau ist das sonnige Rirwana des Sommertags, der im Raume über uns steht und bis hinter alle Sterne in die Unendlichkeit reicht, blau ist die uferlose Sehnsucht des Menschenherzens.
Man soll den blauen Montag nicht verleumden. Er ist von Haus aus ein guter Kerl und wird nur durch schlechte Gesellschaft verdorben. Seine Mutter ist nicht die Faulheit, wie sie sagen, im Gegenteil, er ist durch göttlichen Arbeitsdrang am Sonntag Vormittag gezeugt.
Das kommt so: Ein Mann hat die ganze Woche in bittrer Fron geschuftet, unter das Joch schwerer Lohnarbeit buchstäblich gebückt. Am Sonntag Morgen wird er wach. Er sieht vor sich den ganzen freien Tag, einen Tag, der ihm ganz gehört, mit dem er anfangen darf, was er will. Und was tut er? Er, der die Woche lang seine Arbeit an Fremde für Geld verkaufen muß, er will einmal arbeiten ohne Zwang, ohne gemessene Stunde, ohne Aufsicht, er will, was sein Lebensinhalt ist, einmal ganz frei, ganz für sich genießen, er will in voller Arbeit ein freier Mensch sein.
Sie räsonieren es sich nie so deutlich, aber im Herzensgrund empfinden sie alle so, ein bißchen prosaischer, ein bißchen romantischer, aber ganz ten klingt dieselbe Weise.
Der Nachmittag und Abend gehört dem Vergnügen, und es dauert gewöhnlich länger und macht müder, als die längste und schwerste Aebeit. Und blau dämmert der Montag Morgen, mit einer lässigen alles Wurscht-Stimmung, man wollte Sonntags frei sein in der Arbeit, jetzt will man einmal frei sein im Nichtstun. Et soll emol sen en huelen!
Der blaue Montag ist sozusagen die Ecke, an der sich die Menschheit in zwei Hälsten schlichtet: Solche, die Montags blau machen, und solche, die Montags nie blau machen. Die Gemütlichen und die Verantwortliche. Die Führer und die Geführten. Die einen, die das Leben von ungefähr, die andern, die es klar, nüchtern und scharf nehmen. Man fragt sich schließlich, ob es ein Vorteil wäre, wenn von heute auf morgen alle, die zum Geführtwerden Talent haben, zu Führern gepreßt würden, wenn es keinen mehr gäbe, der im blauen Montag Ersatz für die Lebensgüter suchte, zu deren Erkämpfung seine Mittel nicht reichen.
Es wurde schon vorgeschlagen, den blauen Montag dadurch aus der Welt zu schaffen, daß man die Woche um einen Tag verlängerte, den Sonntag jedem Arbeiter freigäbe und den Montag zum Sonntag mechte.
Es käme ja darauf an. Aber es wäre ein gefährliches Experiment. Die Asketen und Arbeitsfanatiker und Pflichtmenschen der ersten französischen Revolution, die statt der siebentägigen Woche die Dekade einführten, senkten damit den Keim des Zerfalls in die Republik. Niemand kann mie die Überzeugung rauben, daß die erste französische Republik nie zugrunde gegangen wäre, wenn ihre Gründer der Arbeitswoche einen Tag abgeknipst hätten, statt ihrer drei zuzusetzen.