Herr Redakteur!
Man sieht, daß Sie von Steuersachen noch weniger verstehen, als die meisten, die in der Kammer darüber gesprochen haben. Sie geben als Mittel zur gerechtesten Besteuerung ein Fretrchenkollegium an. Man weiß nie, ob Sie es im Ernst oder im Spaß meinen. Sollten Sie es im Ernst gemeint haben, so melde ich mich als Freitchen.
Aber Sie haben es sicher im Spaß gemeint, und darum mache ich jetzt einen Vorschlag im dicksten Ernst. Herr Neyens mag ihn annehmen oder nicht, es ist der einzige Weg zu einer restlosen Erfassung der Steuermaterie, und wenn man hier davon nichts wissen will, wende ich mich mit meinem Vorschlag nach Sowjet-Rußland. Dort sind sie allen neuen Ideen zugänglicher, als bei uns.
Mein Mittel beruht auf einem sehr einsachen Kniff. Sie kennen die Geschichte von den beiden Brüdern, die eine Erbschaft zu teilen hatten und sich nicht einigen konnten. Sie stritten Monate lang darüber, wie die beiden Lose zusammenzusetzen seien. Machte der eine einen Vorschlag, so fand der andere, daß der eine sein Los dicker gemacht hatte und umgekehrt
Da gingen sie selbander zu einem weisen Mann und baten ihn, den Handel zu schlichten.
„Gut,“ sagte er, „der eine von Euch soll die Hinterlassenschaft in zwei gleiche Lose teilen.“
Da wollten sie dreinreden.
„Einen Augenblick,“ sagte der weise Mann. „Wenn die Lose aufgeteilt sind, hat der andre zuerst die Wahl.“
Sehen Sie, Herr Redakteur, das war das einzige Mittel, eine peinlich genaue Zweiteilung der Erbschaft zu erreichen. Denn da der eine wußte, daß der andre zuerst zu wählen hätte, hütete er sich wohl, ein Los wertvoller zu machen, als das andre, weil ihm sein Bruder dann das beste Los vor der Nase weggewählt hätte.
Nach demselben Prinzip müßte der Fiskus verfahren. Er müßte jeden Steuerzahler vor die Wahl stellen, entweder aufrichtig und ehrlich sein Einkommen anzugeben oder hineinzufallen. Merken Sie was? Der Staat sagt: Du erklärst, dein Einkommen oder dein Vermögen beträgt so und so viel. Gut, ich behaupte, es ist viel mehr. Ich nehme dir das Ganze ab zu dem Betrag, den du angibst. Findest du, daß das zu viel ist, so machst du ein gutes Geschäft.
Das wäre ganz sicher im Sinne des Herrn Hoffs mann, der dieser Tage verlangte, der Fiskus sollte einem Steuerzahler sein Gut zu dem Wert abnehmen, für den es besteuert war. Der Fall lag allerdings umgekehrt, Hr. Hoffmann sprach von Überbesteuerung ich setze den Fall der Ueterbesteuerung infolge betrügerischer Fasston voraus.
Kennen Sie Herrn Neyens? So unterbreiten Sie ihm bitte die Idee. Es wäre der einzige Weg nicht nur zu einer mathematisch genauen Besteuerung aller Einkommen und Vermögen, nein, der Staat hätte da die Möglichkeit, sich auf Kosten gewissenloser Bürger zu bereichern und in ein paar Jahren alle seine Schulden zu bezahlen.
Ich gebe Herrn Neyens vierzehn Tage Bedenkzeit. Hat er sich bis dahin nicht zu meinem Vorschlag bekannt, so schreibe ich nach Moskau.
Hochachtungsvoll Grimberger, Nörgler.