In den letzten Stunden der Woche, die beginnt, werden wir einen Freund feiern, der uns für mehr, als eine Persönlichkeit, der uns für eine Zeit steht: Robert Brasseur.
Wenn das Wort „Vorkriegsmenschen“ mit der Bedeutung des Echten, Zuverlässigen, innerlich Wertvollen geprägt wäre, auf ihn fände es Anwendung.
Es ist eine alte Wahrheit, daß die Politik den Charakter verdirbt, und es ist nicht minder wahr, daß mancher Charakter schon die Politik verdorben hat.
Freilich, es gibt Ausnahmen, Politiker, die gegen das Zersetzende der politischen Kämpfe immun sind.
Zu ihnen gehört Robert Brasseur. Die Politik hat nie seinen Charakter verdorben, weil er sie immer als Dienerin und nie als Herrin an sich heranließ, und darum hat er auch nie mit seinem Charakter die Politik verdorben. Mit ihm Politik treiben war ein Labsal für seine Freunde und ein ritterliches Turnier für seine Gegner, denn wenn auch seine Hiebe trafen und fällten, vergiftet waren seine Waffen nie.
Aber am Samstag wollen wir ihn nicht ausschließlich, nicht einmal hauptsächlich als Politiker feiern, sondern als den trefflichen Menschen und lieben Freund.
Ein Blick auf die Subskriptionslisten für das Festessen von Samstag abend zeigt am besten, daß das keine parteipolitische Parade sein wird. Es sind politische Freunde, jawohl, die sich dort zusammenfinden, aber der starke Ton liegt auf Freunde, nicht auf politisch. Jeder Einzelne wird Ihnen sagen: Der wäre mein Freund, auch wenn er sich nie in die Kammer hätte wählen lassen, nie eine seiner mustergültigen Reden für die Sache des Liberalismus gehalten hätte.
Denn Robert Brasseur ist als Mensch eine der glücklichst ausbalaneterten Naturen, die sich denken lassen. In idealer Mischung halten sich in seinem Wesen Ernst und Humor, Auftrieb und Besonnenheit die Wage. In seiner politischen Lausbahn trat dies zutage, wenn er in heißen Stunden des Aufruhrs zur Besonnenheit mahnte und folgeschwere Entscheidungen echt demokratisch in die Hände des Volks legen wollte, wie wenn er der drohenden Reaktion mit flammender Begeisterung für die alten Grundsätze von Freiheit und Recht und Machtverteilung entgegentrat. Und in jedem Gespräch mit Freunden, in jeder Lebenslage, die ihn vor wichtige Entscheidungen stellt, überall verrät sich dies seltene Talent zu ruhiger Abwägung, ernster Prüfung und gewissenhaftem Entschluß.
Wer seiner Natur auf den Grund geht, findet Wahrhaftigkeit. Wahrhaft sein gegen sich und gegen andere, sich ethisch sauber halten ist ihm elementares Bedürfnis. Man empfindet gleich, nichts ist diesem so in der Seele zuwider, wie gemeine, heimtückische, unwahrhaftige Gesinnung.
Diese innere Vornehmheit, die angeboren sein muß, die mit Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht gar nichts zu tun hat, war eine Hauptursache seines dauernden Erfolgs in der Politik. Manche, die seiner besonnenen Art ein frisch-fromm-fröhliches Draufgängertum vorgezogen hätten, wählten ihn doch jedes Mal wieder, weil sie schließlich empfanden, daß eine solche lautere Figur in der Vertretung des Volks nicht fehlen durfte, und daß ein Abgeordneter. wie Robert Brasseur, unter allen Umständen der Körperschaft Ehre macht, der er angehört.
Ein Vierteljahrhundert sind ihm die Wähler treu geblieben, weil er sich selbst die ganze Zeit über treu blieb.
Er ist in unserer Zeit der Kompromisse und des Schiebertums aller Art ein Mensch, dem man schon deshalb Elück wünscht und Glück gönnt, weil es auf das Volksgewissen tröstlich wirkt, wenn auch die einmal Glück haben, die es ehrlich verhienen.