Es war gestern hier die Rede vom Einfluß der Politik auf die Menschen, die sich mit ihr beschäftigen.
Dieser Einfluß ergreift nicht nur die, die aktive Politik treiben, sondern auch solche, die passiverweise in das Getriebe hineingeraten, ja, nicht nur Menschen, sondern auch andere Lebewesen und tote Dinge.
Ich erinnere mich, wie Herr Abgeordneter Herschbach eines Tages in der Kammer ausführlich die Segnungen der Kleintierzucht pries. Ob er es wollte oder nicht, durch diese Rede in einer politischen Atmosphäre, in der Arena der Parteien, rückten Kaninchen und Hühner, Ziegen und Böcke in eine ganz besondere Beleuchtung. Sie wurden aus friedlichen Haustieren, die Eier legen, Fleisch und Milch liefern, mit einemmal zu bedeutsamen Figuren auf dem Schachbrett der Politik, zersielen ganz von selbst in klerikal, sozialistisch, liberal, unabhängig usw. Sie wurden sozusagen zu politischen Wappentieren.
Wie ganz anders erschienen sie mir am vergangenen Sonntag, als neben mir beim Funny in Echternach der Eisenbahner-Kleintierzüchterverein tafelte. Da war nichts mehr von Politik dabei, und nicht einmal die Tatsache, daß die HH. Hildgen und Galles, Stadtväter, die Führung hatten, kennte der Veranstaltung einen politischen Charakter aufprägen. So friedlich hatten die blauen Augen des Herrn Hildgen nie geleuchtet und eine so versöhnliche, gutmütige Rede war nie von den Lippen des Herrn Galles geflossen.
Die Kleintierzüchterei verhält sich zur Großviehzucht etwa wie schmalspurig zu normalspurig, wie Jangly zu Wilhelm-Luxemburg. Aber die Eisenbahner unter sich kennen keinen Unterschied, das geflügelte Rad ist ihr gemeinsames Wappen, ob sie von Rümelingen bis Ulflingen oder von Nördingen bis Martelingen-Rombach rollen, ob sie für schweizer Ziegen oder Wyandottes oder Brahmaputra, Bantams und Orpingtons schwärmen. Und vielleicht sind es die Kleinbahner unter ihnen, die die größten Kaninchen züchten.
Die Reden der beiden politischen Vereinsgenossen Hildgen und Galles klangen, wie gesagt, erheblich anders, als in Kammer und Stadtrat. Vielleicht war das der Anwesenheit zahlreicher Damen zu verdanken. Es ist merkwürdig, wie unakustisch eine weibliche Zuhörerschaft als Resonanzboden für männ- liche Reden wirkt. Ein Mann, der in einer Frauenversammlung redet, muß schon ein Meister des Worts sein, will er nicht abfallen. Ein wenig Mitleid und ein wenig sanfte Ironie mischt sich immer in die Aufmerksamkeit der Frau, die nicht begreift, wie einer mit dem Wort ringen muß, sie, deren gelöste Zunge mit leichtflüssigen Gedanken spielt, wie der Fächer des Gauklers mit der tanzenden Feder.
Wahrscheinlich war es auch den heitern Vorträgen des Kameraden Stephano zu verdanken, daß die Stimmung nicht ins Politische umschlug. Gesang erfreut des Menschen Herz und sänftigt die Sitten, und es ist ein verdächtiges Zeichen für die Politik, daß es noch keine parlamentarischen Männergesangvereine gibt. Vielleicht kommt es mit zunehmender Verstärkung des weiblichen Elements in der Volksvertretung noch einmal zur Gründung von gemischten Chören. Nichts würde so sehr den Ausgleich der Gegensätze fördern.
Ein Eisenbahnername, der die Erinnerung an heftige Kammerdebatten wachruft, ist der des Herrn Mannes. Sein Kamerad Erpelding hat für ihn Lanzen gebrochen, daß die Splitter bis nach Diekirch dem Direktor des armen Jangli an den Kopf flogen. Und Herr Monnes ist die Friedfertigkeit selber, wenn man ihn so im Kreise der Freunde und gutmütigen Kleintierzüchter statt im Zeichen der Politik und sozialen Frage erblickt.
Und so war denn alles schön und gut und gemütlich und der Geist des guten Ekkehardt der Eisenbahner, Alois Kayser, schwebte über dieser Nachpsingstversammlung seiner Jünger und die Funny stand dabei und lächelts zufrieden, als aus hundert Kehlen ein breisaches, sechsfaches, neunfaches Joch auf ihr gastliches Haus erschall.