Es war die höchste Zeit, daß unser Gespräch ein Ende nahm, sonst wäre es in Tätlichkeiten ausgeartet. Es hatte kaum zwei Minuten gedauert und sprungweise den Grad erreicht, auf dem die Verbalinjurien gedeihen.
Kein Wunder! Denn es ging um die Echternacher Parkmauer. Die Echternacher Parkmauer geht mich nichts an, aber mein Widersacher war ein geborener Echternacher, und er sagte gleich, es habe irgend ein Idiot einmal geschrieben, Echternach sei die Stadt der Mauern und es sei Zeit, daß es sich endlich häute.
Der Idiot war ich, wie Sie sich vielleicht erinnern werden. Aber mild und sachlich wollte ich über den Tusch zur Tagesordnung übergehen, denn wie gesagt, die Echternacher Parkmauer ist eine Angelegenheit rein lokalen Charakters, und wir standen in Luxemburg, Ecke Maria-Theresienstraße und Königsring. und unter den Ahornbäumen bis weit hinauf an die Arsenalstraße hingen die bunten Fahnen schwer von dem segensreichen Landregen, der soeben niedergegangen war.
Dennoch: Drei Sätze, und wir wären uns aufs Haar an die Gurgel gefahren. Er ist ein verbissener Anhänger der Mauer, mich geht sie, wie ich nochmals feststellen will, nichts an, aber aus angeborenem Widerspruchsgeist und außerdem aus Überzeugung behauptete ich, es sei eine Wohltat für Echternach, materiell, moralisch, ästhetisch, wirtschaftlich, politisch usw. usw., daß die alte Klostermauer verschwunden sei und man jetzt den Park um die Schönheit des Sauertales und die Sauerpromenade um die Schönheit des Parks bereichert habe.
Da schwoll ihm die Zornesader und er sagte, nun höre doch alles auf, und was man sonst unter solchen Umständen sagt. Es fing wieder an zu regnen und wir liefen auseinander. Sonst weiß Gott, welche Folgen dieser Zusammenstoß hätte haben können und ob nicht die bewußte Straßenecke noch zu trauriger Berühmtheit gelangt wäre.
Zur Sache: Mauern haben ihr Gutes. Sie sind da der hereinsehen, andrerseits damit die von drinnen nicht hinauslaufen und hinaussehen können.
„Eine Mauer um uns baue,Sang das fromme Mütterlein.“Aler das war zur Zeit der bösen Schweden. Heute helfen die dicksten Mauern nicht mehr gegen die bösen Schweden und noch weniger gegen den bösen Geist der Zeit - ich nenne ihn böse „pour les besoins de la discussion“, Mauern haben nur noch symbolische Bedeutung, und da kommt es also darauf an, ob der Wert ihrer symbolischen Bedeutung alle Vorteile ihrer Beseitigung überwiegt. Ich meine, sie haben in Echternach auch ohne die Parkmauer noch hohe Mauern genug, deren symbolische Bedeutung mit aller wünschenswerten Eindringlichkeit zur Phantasie unserer und der späteren Zeitgenossen redet. Dagegen ist es ein Symbol von Weitsichtigkeit, wenn die Mauer niedergelegt wurde, die die Echternacher Mönche vor ablenkenden weltlichen Einbrücken zu schützen hatte. Wenn ich ein Wort mitzusprechen gehabt hätte, so wäre der Park ohne jede Einfassung bis an die Sauer ausgedehnt worden und von der alten Mauer überhaupt kein Stein auf dem andern geblieben. Es ist ja ehrenwert, daß die alten Echternacher die Erinnerungen aus ihrer Kindheit nicht wollen antasten lassen, aber das ist ein persönliches Empfinden, aus dem heraus Fragen, wie diese, sich nicht behandeln lassen.
Das sage ich Euch jedenfalls: Wenn ich nächstens wieder im Kreise der Echternacher Freunde Minder Layer trinke und es will einer von ihnen eine Diskussion über die Mauer anfangen, so werde ich Herrn Huby bitten, sofort das Lied vom „Tiefen Keller“ anzustimmen, mit dem er alles Wortgetöse übertönt.