„Es liegt also zwischen uns eigentlich kein Grund zum Streiten vor.“
Also unser liebenswürdiger Korrespondent J. in Sachen der Echternacher Park- oder Gartenmauer.
Dies ist demnach eine der Fragen, in denen selbst wohl beide Parteien recht haben können. Ein paradiesischer Zustand. Ni vainqueur ni vaincu.
Der Unterschied zwischen unsern beiden Auffassungsarten liegt darin: Er sagt, der Echternacher Park ist eigentlich ein Garten, ich meinte immer, der Echternacher Kasinosgarten ist ein Park.
Er sagt: Der Stimmungsgehalt des Gartens ist durch das Niederlegen der Mauer zerstört, verflüchtigt in die Winde geblasen. Und er wirft mir die Einfassungsmauer des weiland Dicks’schen Schlosses Stadtbredimus sozusagen als Knüppel zwischen die Räder: „Sie würden, falls man Hand daran legt, gewiß nicht aus persönlichem Empfinden heraus, sondern unter Berufung auf die Ästhetik und des Stimmungswert des Gesamtbesitztums Einspruch einheben.“
Deß bin ich nicht so sicher, wie Sie, lieber J. Ich glaube, daß ich umgekehrt gar keinen Einspruch erheben würde, am wenigsten unter Berufung auf die Ästhetik und den Stimmungswert dieser Mauer. Und ich glaube ebenfalls, daß unter den Einwohnern von Stadtbredimus sich kein einziger befände, der von sich aus dem ästhetischen und Stimmungswerk besagter Mauer nachtrauern würde. Wohl aber w den die heutigen Besitzer protestieren, wenn die Mauer niedergelegt und dem Fürwitz aller Passanten der Blick in den Garten und Schloßhof freigegeben würde.
Ich stehe überhaupt dem Stimmungswert hoher Mauern mit starkem Mißtrauen gegenüber. Auf alle Fälle ist er nur sehr individuell zu genießen. Darin hat J. unbedingt recht. Er betrachtet den Echternacher Park als Garten und sich gewissermaßen als den moralischen Eigentümer dieses Gartens, weil er davon, von dem Schönsten, was er für ihn bat, Kinder- und Jugendträumen Besitz ergriffen hat. Und nun wird er gewaltsam enteignet, die Mauer, die seine Träume berankten, wird gebrochen und durch die trauliche Geborgenheit des alten Garten weht es banausisch und respektlos.
So erging es mir mit meinen Heimatglocken. Es waren zwei kleine Dorfglocken, sehr alt, aber sie klangen, war ihre Stimme die Stimme der Heimat. Wenn man von Stimmungswert kommen die Heimatglocken vor allen Gartenmauern.
Eines schönen Tages gehe ich heim und höre über die Gewann herüber vom Kirchturm fremde Glocken läuten. Es war, als hätte man mir das Haus ausgeräumt und fremde Mieter hineingesetzt. Die neuen Glocken waren größer und klangen voller, als die alten, aber es waren fremde Glocken, deren Stimme für mich keine Bedeutung hatte. Ich war, solange sie leuteten, fremd in der Heimat.
Aber die Jungen wachsen damit auf, ihnen wird dieser neue Klang das Immerdagewesene, ein Teil ihrer Kindheit, die laute Seele ihrer Umwelt. Und wenn einer hinginge und ihnen später statt des gewohnten Glockenpaares die alten wieder hinhängte, e für uns „die“ Glocken waren, so würden sie sich darüber noch viel mehr ärgern, als wir uns damals über den Tausch ärgerten, denn man hätte ihnen ein Minus gegen ein Plus eingetauscht.
Lieber J. K., versuchen Sie sich einmal vorzustellen, sie seien jetzt in Echternach der Hemdenmatz, der sie dort vor zirka dreißig Jahren gewesen sein mögen. Und statt mit der hohen Park- oder Gartenmauer über Ihnen wüchsen Sie auf, mit dem freien Blick auf Sauer und Ernzerberg. Und dann käme er fünfundzwanzig Jahre ein Neuerer, der die hohe ostermauer wieder hinbaute: Würden Sie dem nicht mit Ihrem schärfsten Geschütz zu Leibe rücken? Also denken Sie auch ein wenig an die andern, die nicht aus Stimmungsgründen und Pietätscksichten in die alte Mauer verliebt waren.