Man rechnet es den Siebenbürger Sachsen Gott weiß wie hoch an, daß sie 700-800 Jahre nach ihrer Auswanderung inmitten einer stammesfremden Bevölkerung und durch Anfechtungen aller Art hindurch ihrer Muttersprache treu geblieben sind. Das Festhalten am Eigenen, das Sichselbsttreubleiben war jederzeit ein Zeichen von eingeborener Kraft und wir dürfen daher auf die Siebenbürger Sachsen stolz sein. Denn sie waren bekanntlich keine Sachsen, sondern zumeist an der luxemburger Mosel daheim.
Aber sie sind nicht die einzigen Luxemburger, die in der Fremde sich selbst, ihrer Art und ihrer Sprache treu blieben. Herr Generalkonsul Derulle erzählte mir dieser Tage von einem Herrn, der in Amerika als Sohn luxemburger Eltern vor sechzig Jahren geboren wurde und jetzt zum ersten Mal herübergekommen ist. Nun gut, dieser Luxemburger, der Luxemburg nie gesehen hatte, spricht heute als Sechzigjähriger das reinste Luxemburgisch, ganz als wäre nie ein andrer Laut über seine Zunge gekommen.
Ich stelle mir lebhaft vor, wie in einem solchen Haus das heimische Wesen gepflegt wird, wie dieser Herd ganze Menschenalter hindurch als ein winziges Heimatinselchen inmitten der brausenden Fremde liegt. Freilich, die Mutter muß Luxemburgerin gewesen sein, sonst überdauert die Sprache keine zwei Jahrzehnte. Ich sah kürzlich einen Landsmann, der drüben eine Oberbayrin geheiratet hat. Er rarlierte das sastigste Oberbayrisch und hatte seine Muttersprache so gründlich vergessen, daß er nicht einmal mehr auf luxemburgisch fluchen konnte.
Ganz rein allerdings spricht kein Amerikaner luxemburgisch. Es nimmt in seinem Mund eine Färbung an, von der er selbst sich keine Rechenschaft geben mag und die unter Umständen von reizender Wirkung sein kann, zumal wenn die Laut-Mischung von einer weiblichen Zunge und weiblichen Lippen bewerkstelligt wird. Es handelt sich dann allerdings nur um solche Amerikaner und Amerikanerinnen, denen das englische R und I. von Kind auf in Fleisch und Blut übergegangen sind. Denn an diesen beiden Konsonanten sind sie zu erkennen, sicherer noch als an der Redensart „zeng Johr zereck“. Ich lernte eine junge Amerikanerin kennen, die drüben geboren ist und mit ihrem Papa auf einem Trip in dessen alte Heimat begriffen ist. Sie kutschiert mit ihrem Auto durchs Land und will es in allen Ecken kennen lernen. Sie ist ein lustiges, gesundes Blut und lacht viel lieber, als daß sie den Kopf hängen läßt. Diese spricht das Luxemburgische aus ihres Vaters engerer Heimat unverfälscht und mit Genuß. Sie sagt näan so gemütlich, daß man ihr etwas dafür schenken möchte. Und unsere Sprache nimmt in ihrem Munde einen ganz andern Tonsall an. Was uns am Amerikanischen auffällt, ist ja das Bestreben, jede Silbe deutlich und mit gleichwertiger Betonung zu prägen. Denn nicht wahr, der Hauptzweck der Rede ist doch immer, sich bis auf die letzte Silbe verständlich zu machen. Dies tut die junge Miß, von der ich eben spreche. Und ihre R und L verraten sie auf tausend Meter. Als wir kürzlich an einem Tisch saßen, auf dem Bier, Wein, Liköre und Schnäpse und allerhand sonstige flüssigen Genußmittel vor den Gästen standen, frug ich sie, was sie denn jetzt anfingen, wenn sie wieder in das trockene Amerika kämen:
„Oh!“ sagte sie lachend. „Mäarr kru-e’en ße dru-enken eso’ vill ue’ mäarr uöllen.“
Wahrhaftig, es ist herzerfrischend, sie reden zu hören. Und mit der Trockenheit drüben scheint es also auch nicht so schlimm zu sein.
Ech hat och eso’ geduecht.