Original

1. Juli 1924

Lieber Kutter Josef!

Du mußt mir schon erlauben, Dich hier zu duzen, denn dies alles geht schlecht per Sie.

Also sie haben in der Kunstausstellung vor Deinen Bildern gestanden und keinen Vers darauf gefunden. Die Alten, meine ich. Denn die Jungen sind mit Dir. Weil sie Morgenluft wittern. Liebe Kollegen sollen sogar Witze gemacht haben, über die sie selbst vor Lachen bersten wollten, und gingen herum und sagten: Ich danke dir, o Herr, daß ich nicht bin, wie dieser!

Und das alles darum, weil Du ein Maler bist und kein Abmaler.

Wenn ein Mann in den besten Jahren, der nie zeichnen gelernt und nie einen Pinsel in der Hand gehabt hat, eines Tages hinginge und viereckige Leinwandstücke von verschiedener Größe mit Farben bedeckte und sich dann einbildete, ein Maler zu sein, so könnte man über ihn lachen.

Aber Du hast zeichnen und malen gelernt. Vortrefflich sogar. Und ich bin sicher, wenn Du Deinen Ekel vor der alten Vettel überwinden könntest, als die Dir die akademische Kunst erscheint, Du zeugtest mit ihr viel prachtvolleren Nachwuchs, als einige Auchmaler, die jetzt das Publikum auf Deine Bilder hetzen. Wie wär’s zum Beispiel, lieber Josef, wenn Du einmal hingingest und ein paar von den Seifereklamebildchen mit zarten Busenknöspchen und Gloire de Dijon maltest, wie sie dem Geschmack der Ausstellungsbesucher entsprechen?

Aber statt dessen wirfst Du all das mühsam Erlernte zum Fenster hinaus und malst Bilder, die aussehen, als könnte das jeder Anstreicherlehrling viel besser.

Aussehen! Nur so aussehen. Das eben trügt. Und das sollte den alten Perücken, die vor Deinen Bildern die Kränke simulieren, zu denken geben. Denn Du und alle, die Ihr von unten herauf die Kunst wiedergebären wollt, Ihr könnt malen. Im Besitz aller Kunstgrisse, aus denen das Alte wurde, habt Ihr es unternommen, die Kunst zu verjüngen. Von unten herauf. Wenn Ihr nicht werdet, wie diese Kleinen ...

Ich weiß nicht, ob ich Euch verstehe, die Gauguin und Van Gogh und die Vielen, mit denen Du eines Wesens bist, und die im Ringen um den neuen Kunstschrei sich verzehrten. Sie kämpfen und suchen den andern weit voraus im Gestrüpp der Ungunst und Unsicherheit, bis die neue Bahn frei und breit da liegt.

Aber da es Maler waren und sind, nicht Kunstmumien, geistige Tapergreise, die alte Formeln auswendig stammeln, wie wacklige Hofschranzen gedankenlos ihre Knixe machen, so weiß man, daß diese Kämpfe und Krämpfe die Geburten neuer Kunst bedeuten müssen.

Vielleicht, lieber Ku Josef, hätte ich Dir geraten, eine klügere, pädagogischere Auswahl zu tressen. Denn die Kleinstadt ist in Allem schwerer auf den Trab zu bringen, als der ewig bewegte der Großstadt. Sie verlangt Fertiges, Anerkanntes.

Aber davon abgesehen, lieber Peneri, sei sidel und schlag Dir auf den Schenkel und sing dazu; Mir san et von Loam!

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KatalognummerBW-AK-012-2694