Original

8. Juli 1924

„Morgen gehe ich mit Kind und Kegel nach Trintingen Kirschen essen!“ sagte er, und die Vorfreude blinkte ihm aus den Augen.

Die Trintinger Kirschenernte ist für das ganze Tal von derselben Bedeutung, wie der Traubenherbst für die Mosel. In Scharen zieht man dahin und viele sehen, wenn sie nach Ötringen zurückkommen, nicht so aus, als ob sie drunten nur Kirschen zu sich genommen hätten. Auch darauf erstreckt sich die Ähnlichkeit mit dem Herbst. Und darauf, daß der Korb in weitestem Umfang in Aktion tritt. Man will einmal schöne, frische Kirschen heimbringen, nicht die verdächtige Ware, die vom vielen Umschütten welk und zerbeult, deren saftiges Fleisch geauetscht und mißfarben ist und das schon leichten Fäulnisgeschmack hat. Und wie viele sich aus dem Weinberg traubenbehangene den Zügen, die von Ötringen kommen, Leute, die in den Händen große Zweige mit den leuchtend roten Kügelchen tragen.

Der arme Kirschbäum! Er trägt das erste süße Obst des Jahres, und er muß es büßen. Ganze Äste reißen sie ihm in ihrer Gier vom Leib. Kaum daß seine Früchte sich zu färben ansangen, wird bei ihrem Anblick die Raublust wach. Als hätte die Natur es darauf angelegt, daß sich die Menschheit auf diesen Genuß als auf eine angenehme Sommerpurgiertur stürzt. Kein Baum sieht zur Zeit, wo seine Früchte reisen, so zerzaust und verwüstet aus, wie ein Kirschbaum, und wenn er weit vom Dorf irgendwo am Wege steht, gleicht er bald einem Inva@ überall ein Glied s@hlt oder beschädigt ist @ das Gegenstück zu seiner Schönheit. Denn e@ südländisch schön, erst mit seinen Blütenstr@ dann mit dem lockenden, leuchtenden R@ Früchte.

Die Kirsche hat kein Arom, sagen die, di@ besser wissen. Sie haben nie an einem hei@ Nachmittag da draußen auf einem Ast geh@ die überreifen roten Kügelchen, die von W@ Bienen umsummt werden und vor Süße scho@ zum Munde geführt.

Die Trintinger Kirschen sind spric@ „En aß eran ewe de Daller Kieschen!“ sag@ der Mosel. Sie sind bekannt, wie die „Has@ wie die „Pießinger Kueben“ und soviele@ sprichwö@tliche Wesen im Land.

Das Trintinger Tal aber ist „das“ Tal s@ Wir haben ein Merscher Tal, ein Mosel- un@ tal, ein Mariental, ein Mamertal, ein Pra@ eine Unmenge Täler mit Vornamen. Dies @ wird nur mit dem Familiennamen „Dall“ @ @Am Dall“ heißt unweigerlch in Roedt, T@ oder Erfingen. Denn diese Dorfdreifaltigke@ die das Tal langgestr@ckt @füllt. In der H@ geht die Landstraße an ihr vorbei, oder un@ das Dorf hat sich von der Straße weg @ gelagert, wie eine Wandergesellschaft zu eim@ nick, wenn sie nicht will, daß alle Vorüber@ ihr in die Teller @cken. Es ist ein originell@ dieser „Dall“, und mancher Daller hat v@ Originalität im guten Sinn etwas abbekom@

Die Kirsche ist weiblich, der Kirsch ist @ Darum ist er bedeutend stärker. Im Parad@ das Weibchen aus einer Rippe des Männch@ „Dall“ wird das Männchen aus zahllosen @ destilliert. Was sie Süßes, Duftiges, Karessi@ Generöses in sich haben, steigert sich im M@ zu überwältigender Kraft. Der Kirsch i@ Schnaps, wie das Trintinger Tal „das“ Ta@ ist der Aristokrat unter den Schnäpsen, @ Quetsch der Demokrat und der Korn der Pre@ ist. Die moderne Zeit droht ihm mit Un@ Sein Feind heißt Fi@kus. Der hat es zuwege @ daß der Kirsch heute nicht das Fünssache, @ bald das Dreißigfache des Vorkriegspreise@ wird.

Im Interesse aller Lohnempfänger darf ma@ verlangen, daß der Preis des @irsch bei de@ rechnung der Index-Ziffer mit zugrunde geleg@

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