Wie die drei Könige aus dem Morgenland nach dem Stern von Bethlehem zogen, so zieht heute von Luxemburg alles, was kann, nach Metz, zu dem Stern Frantz, der um die Stunde, wo Ihr dies lest, irgendwo zwischen Straßburg und Metz unter bleiernem Himmel sein Rad durch den Staub der Straße dreht und überschlägt, ob und wie er wohl am Sonntag im Parc des Princes unter dem Jubel von Zehntausenden die Siegerrunde fahren wird. Daß er das Zeug dazu hat, wissen wir jetzt. Wenn ihm nur das Schicksal keinen bösen Streich spielt. Das Schicksal ist wie eine Sprungfeder, die mit jeder Etappe sich stärker spannt: Schnellt sie am ersten Tag los, so ist es nicht schlimm, aber an einem der letzten Tage kann sie alles in Stücke reißen.
Ein alter Luxemburger sagte, als von Frantz die Rede ging: „Der Eyschen war ein Menschenleben lang Staatsminister und hatte nie einen solchen Zulauf.“
Wir ehren unsere Athleten höher, als unsere Staatsmänner, Dichter und Gelehrten. John Grün hat sein Denkmal, die andern warten auf die ihrigen voraussichtlich noch sehr lang. Was Frantz vollbringt, ist dem Verständnis und der Beurteilung aller zugänglich. Es ist leichter festzustellen, daß einer schneller fährt, als ein anderer, als daß ein Bild schöner ist, als ein anderes, oder eine politische Tat verdienstvoller, als eine andere. Die einen bewundern an. Frantz, daß er kann, was noch keiner von uns konnte, die anderen fiebern ob seinen Leistungen, weil sie drauf brennen, es ihm gleichzutun und überzeugt sind, daß sie es vielleicht noch besser können. Die Intellektuellen bekommen immer mehr Achtung vor seiner Zähigkeit, Ruhe und Konsequenz, die ihm eine Maximalleistung ermöglichen, denn es gehört wirklich allerlei dazu, der Besten Europas einer zu sein, auf welchem Gebiet es auch sein mag.
Dennoch ist es für unser Wesen bezeichnend, daß das Phänomen Frantz so starke Ringe wirft. Ein Lehrer fragt in der Schule, was es denn Neues vom Frantz gibt, und a tempo schwenken alle Schiller die letzte Nummer des „Auto“. Sogar hohe Staatswürdenträger, die niemals auf einem Zweirad saßen, putzen ihre Vrillen und gucken aus ihrem elsenbeinernen Turm heraus, um zu sehen, was dieser Frantz denn für einer ist. Und alle miteinander lesen mit inniger Genugtuung, was die französischen Sportblätter von Frantzens sympathischem Wesen zu sagen wissen, im Gegensatz zu den nicht immer liebenswürdigen Glossen, mit denen sie ihren Bericht über andere Sterne verbrämen.
Dieses Unisono des öffentlichen Interesse ist eine Art Gradmesser für unser ganzes nationale Seelengewebe. Herz und Muskel, allerdings mit dem nötigen Quantum Intelligenz, Geistesgegenwart und Ruhe, sind uns eine beneidenswertere Ausrüstung, als höchste Intellektuglität. Und es ist vielleicht gut so. Denn von jenen zu dieser ist der Weg immer offen, aberumgekehrt geht es wohl nicht mehr, oder doch selten und schwerer. Heute haben wir für andere, die auch unseres Blutes sind und die draußen mit in erster Reihe ringen, oft nur Spott und Unverstand. Aber wir sind dann wenigstens so ehrlich, daß wir sagen, wir verstehen nichts davon. Während den Frantz, den verstehen wir alle.