Sie hätten Unrecht, sich das Wien von heute vorzustellen als eine Stadt, auf deren Pflaster Gras wächst, deren Denkmäler mit Schwalbennestern um und um beklebt sind und in deren vereinsamten Straßen hahläugige, tieffinnige Menschen umherschleichen.
Wien ist Wien geblieben, es braucht kein Hinterland, keine Mausfallt und Schlawiner aus der Tschechoslowakei und aus Jugoslawien, und keine Magyaren und sonstigen Landsleute, Wien ist durch, aus, von und in sich selbst.
Wien, das uns bisher reizende Kinder in Pflege schickte, schickt uns jetzt schon wieder ein neues Spiel: „Goal-Game, das neue Weltspiel“. Es ist so lustig, daß es reichen wird so weit wie die Walzer von Strauß.
Der Erfinder hat in kluger Erkenntnis der Sachlage zwei Spiele gewöhlt, die zu den beliebtesten der gesamten Kulturwelt gehören und hat sie in eins zusammengeschlagen: Billard und Fußball. Sie werden also in Zukunft Billard spielen können mit allen Ausregungen eines Fußballmatches, und umgekehrt werden Sie Fußball spielen können in einem luxurlös ausgestatteten mit dekolletierten Damen als Partnerinnen und Gegnerinnen, Sie brauchen sich dabei die Knie nicht nackt zu machen, können als Stürmer als Goalkeeper im EveningDreß mit der Kamelie im Knopfloch antreten, brauchen keine Verstauchung, keinen Schädel-, Unterleibs- oder Beinbruch, keinen Sonnenstich und keine Lungenentzündung zu riskieren Sie können GoalGame spielen mit einer Hand und ohne irgendein Bein, und trotzdem nach allen Regeln der Kunst, mit allem Raffinement der Elf von Uruguay, Sie können sich als Goal-Game-Andrade im Schatten ausbilden und bei den Wettkämpfen der Zukunft ein berühmter Mann werden. Nur die Ruhe kann es machen.
Brauche ich das Spiel lange zu beschreiben? Nein, Sie haben es schon erraten. Ein eigens gebauter Billardtisch stellt das Fußballfeld vor. An den Schmalseiten ist je ein Tor aufgerichtet. Die zwei Parteien stehen sich sieben zu sieben gegenüber, in jedem Goal ein Torwart, die übrigen sechs nach Sturm und Verteidigung entsprechend verteilt. Da nun keine pierzehn Personen auf einem Billardtisch herumhüpfen können, wird der Ball, der ins seindliche Tor getrieben werden soll, durch Anschuß mit Messingkügelchen bewegt. Diese werden von den Spielern aus kleinen Sprung- federkanonen geschossen, die am Tischrand festgemacht sind. Und nun kann es los gehen.
Sie kennen das Billard Nicolas und die komische Aufregung, die sich der Spieler daran bemächtigt? Das Goal-Game versetzt seine Adepten in eine noch viel mächtigere Aufregung. Die Wiener Sport- und Witzblätter sind schon voll der drolligsten Bilder von Goal-Game-Paren, Damen, Herren, Zivil und Militär, aus den österreichischen Staatsgefängnissen kommen Gesuche auf Gesuche um Aufstellung von Goal-Game-Tischen zur Aufmunterung der Sträflinge.
Das Spiel hat auch schon in Luxemburg Eingang gefunden und gleich derart eingeschlagen, daß sämtliche alten Fußballspieler, die wegen zunehmenden Leibesumfangs nicht mehr draußen auftreten können, jetzt allabendlich den Goal-Game-Tisch umlagern.
Für Bad Mondorf bedeutet dies Gesellschaftsspiel gradezu die Rettung. Die Kurdirektion sollte unverzüglich nach Wien um ein solche Fußballbillard für das Monderser Kasino schreiben, und wenn die Gäste es einmol kennen, ist vorauszusehen, daß sie nur noch in solchen Hotels absteigen werden, in denen allabendlich und bei Regenwetter auch tagüber die Goal-Game-Kugel rollt.
Aller Anfang ist schwer!