Original

27. Juli 1924

Mein Freund Ping Pang sagt den französischen Prälaten Bescheid in Sachen der Frauenmode. Er steht auf dem Standpunkt, daß die Frauen durch das Raffinement ihres Aufputzes die Schwäche ihres Geschlechts gegen die Männerwelt wettmachen wollen und es daher ein eitles Beginnen von seiten der Kirche ist, der weiblichen Mode Wege weisen zu wollen.

Das Anathema der französischen Bischöfe gegen die Blöße des Halses und der Arme erstreckt sich anscheinend nur auf die Frauen im Gottesdienst. Und da hat Ping-Pang recht, wenn er sagt, die Geistlichkeit ist in der Kirche allein maßgebend.

Aber die Tatsachen scheinen ihm zurecht zu geben, wenn er die Frauen für ihre eigene Mode verantwortlich macht. Wenn der französische Episkopat eine Änderung anbahnen will, müßte er sich an die großen Modekönige wenden, die von Saison zu Saison Form und Länge des Damenrocks dekretieren. Denn es sind nicht die Frauen, die ihre Moden erfinden. Schon deshalb nicht, weil sie nie wissen, was Männergeschmack ist und es nur durch Empirie lernen. Die einzige Sorge der Frauen bei der Entwicklung der Rockmode war offensichtlich immer, daran zu erinnern, daß sie auch Beine haben, und in dieser Beziehung ist ihnen erst in jüngster Zeit Genugtuung geworden. Wenn man vom Direktorium absteht, so waren selbst zu Zeiten, wo die Frauenmode mit den Reizen oberhalb der Taille am verschwenderischsten umging, die Beine Gegenstand der peinlichsten Diskretion. Je tiefer der Halsausschnitt, desto länger die Schleppe. Heute ist das Gleichgewicht hergestellt, und es wird Krämpfe kosten, bis die Frau auf diese Errungenschaft verzichtet.

Die französischen Bischöfe geben sich übrigens einer Täuschung hin, wenn sie der Freigebigkeit der Frauenmade allzu verführerische Wirkung zuschreiben. Es gibt Fälle, wo das Gegenteil erzielt wird, und sie sind nicht einmal sehr selten.

Nun muß man bei näherer Betrachtung dieses Gegenstandes unweigerlich auf den Gedanken verfallen, daß hierin bei der Gattung Mensch etwas verkehrt ist. Im Tierreich ist es bekanntlich so, daß das Männchen in Toilttekünsten den größten Aufwand macht. Seht den Löwen, seht den Fasan! Wir Menschen halten es umgekehrt, es ist das Weibchen, das sich putzt, putzen muß - sagt es dem Männchen zu gefallen. Die Tatsache, daß wir mit Verstand begabt sind, spielt dabei offenbar keine Rolle. Aber die Sache gibt zu denken.

Beim Vorgehen der Kirche gegen die Toilettekünste der Frau vermißt man regelmäßig eine Unterscheidung, die zumal in einem Lande mit so schwacher Mentalität, wie Frankreich, sich aufdrängen müßte. Wenn die Frau von ihren Reizen mehr zeigt, als es die Kirche für gut und heilsam erachtet, so tut sie es letzten Endes doch nur, um dem Mann beizubringen, wie begehrenswert sie ist. Begehren darf er sie aber nur auf dem Umweg über das Standesamt. wäre für Unverheiratete eine gewisse Lizenz Platz. Frauen dagegen, die ihren Zweck erreicht haben, müßten auf weitere Lockungen verzichten.

Aber da meldet sich wieder der Gyges, der in jedem Mann steckt. Er will beneidet sein, man soll wissen, was er für einen Schatz gewonnen hat, er ist es zufrieden, ist sogar stolz darauf, daß die Seine sich für andere schmückt.

Und da solchergestalt auf der ganzen Linie Soltdarität herrscht, was wollen Hirtenbriefe dagegen ausrichten!

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