Original

31. Juli 1924

Vor einigen Tagen ging hier die Rede von der hohen Buche bei Rollingen und von dem verdienstvollen Werkchen, das der leider zu früh verstorbene Forstinspektor Ernst Faber von Mersch über luxemburger Baumriesen veröffentlicht hat.

An die 150 Baumveteranen sind darin beschrieben, und das Buch atmet von der ersten bis zur letzten Seite tiefe Liebe zum Wald und allem, was mit ihm zusammenhängt. Eichen, Buchen, Linden, Ulmen, Pappeln, Walnußbäume, Tannen, Fichten, Lärchen, Kiefern, Akazien, Weiden, Ahorn- und Kastanienbäume usw. - wo ein merkwürdiges Exemplar steht, wird es in Wort und Bild dem Leser vorgestellt. Man steht, wir wachen immer noch unserm alten Namen „Wälderdepartement“ Ehre.

Jedes Dorf, jede Gemeinde ist stolz auf ihren Baum und zeigt ihn als grünen Zeugen grauer Vergangenheit. Und es muß diesen Menschen, deren einfaches Erleben ihren Sinn für Gemütswerte verliest, ans Herz greifen, wenn sie daran denken, daß unter dem Laubdach eines solchen Hünen schon ihre Urgroßeltern Schatten gesucht, des Lebens und der Liebe Lust und Leid erfahren haben. Sie sind betläufig auch ein wenig stalz darauf, daß sie in ihrer Gemeinde so nobel waren, dem alten Baum das Gnadenbrot zu schenken und ihn beim Bau der Kirche oder Schule, wo sie Geld brauchten, nicht Kor und Stere zusammenzuhauen und zu fügen. Ist so ein Solobaum einmal der Prositgier und der Axt glücklich entronnen, so kommt allmählich um ihn herum eine Atmosphäre von Ehrfurcht und Solidarität auf und es besteht Aussicht, daß er noch weiter in den Himmel und in die Zeit hineinwächst.

Warum nicht jedes Dorf, jede Gemeinde sich ein solches Erinnerungszeichen und Symbol leisten?

Die Forstverwaltung war allezeit vernünftigen Vorschlägen zugänglich. Vielleicht nimmt sie den folgenden in ihr Zukunstsprogramm auf:

In jedem Gemeindewald steht wenigstens ein Exemplar - Eiche, Buche, Fichte, Kiefer -, das schon über das für Bäume gefährliche Alter hinaus ist, dabei so kerngesund, daß Aussicht auf nach recht lange Lebensdauer besteht. Diesen Baum gälte es vor den Finanzerwägungen der Gemeindeverwaltung zu schützen. Könnte die Sektion wirklich die laufend Franken, die der Verkauf des Baumsolisten brächte, nicht entbehren und nicht anderweitig beschaffen, so wäre Herr General-Direktor Bech der Mann, der auf seinem Büdget die Summe erübrigen würde, die nötig wäre, um dem Veteran das Leben zu retten.

Dieser Bau würde zu einem ethischen und poetischen Gemeingut aller Dorfgenossen durch Geschlechter hindurch, zum Denkmal und Vorbild einer Gesinnung, die höhere, als rein materielle Interessen kennt.

Ich möchte daran noch eine praktische Empfehlung knüpfen. So der Baum eine Buche ist, müßte er davor bewahrt werden, daß jeder seinen und seiner Geliebten Namen in die Rinde schneidet, womöglich mit Datum und rundherum einem Herzen. Eichen sind von selbst vor solchen Inschriften sicher, da ihre rauhe, rissige Rinde sich nicht dazu eignet. Linden desgleichen, obschon ein Dichter, namens Wilhelm Müller, vor Jahren behauptete, er habe in die Rinde eines Lindenbaums, der am Brunnen vor dem Tore stand, manch liebes Wort geschnitten. Dichter tun ja so manches dem Reim zulieb.

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KatalognummerBW-AK-012-2719