Nach langweiligen Regenwochen einmal wieder ein schöner Sonntag.
Die Bauern blicken wieder zufrieden und hoffnungsvoll drein, die Wagen rattern trotz dem Tag des Herrn unaufhörlich hinaus zum Einfahren, die Häuserfronten lachen aus allen Fenstern.
Da begegne ich meiner alten Freundin Mary. Wir haben zusammen als Knöpfe die Schulbank gedrückt und machen uns beim jeweiligen Wiedersehen. Komplimente, wie wir uns „so gut gehalten haben“.
Ich triumphierend auf sie zu, als hätte ich ganz allein das schöne Wetter gemacht, zeige auf den wolkenlos blauen Himmel:
„Na, was sagst du denn jetzt!“
Sie macht ihre elegischen Augen und ihr gottergebenes Gesicht und sagt wehmütig:
„Et hält net!“
Wie , es hält nicht! Ich war ehrlich entrüstet. Was wollte sie denn noch mehr! Alle Anzeichen deuteten auf einen günstigen Witterungsumschlag. Weit und breit keine Wolke am Firmament, der reine Sonnenwind, der Wasserstein in der Stubenwand keine Spur feucht, kein Hund im Dorf, der ans Grasfressen denkt - und sie sagt: Es hält nicht!
„Wie kommst du dazu, alte Freiesch!“ frage ich sie spöttisch. „Hast du Hühneraugen, oder Reißen in den Kinnladen?“
Sie schüttelt traurig den Kopf und sagt:
„Nein, aber das Barometer!“
Ach so. Also das Barometet! Es war mir nämlich alle die Wochen her aufgefallen, wie jedermann gleich mit dem Barometer anfing. Abends beim Schlummerschoppen wurde der Barometerstand erörtert, über Tag frug oder sagte jeder, wie das Barometer stand. Es war das Wetterevangelium, alle glaubten daran, wie an den Wunderdoktor von Ma.
Daß sich der Landmann, der in seiner ganzen Existenz hauptsächlich vom Wetter abhängt, ein Barometer anschafft, ist nur natürlich. Ob es für ihn ein Segen ist, steht dahin.
Früher gab es im Dorf nur ein Barometer. Es hing beim Herrn Pastor in der Stube und war ein altes Quecksilberbarometer, das aber schon längst nicht mehr funktionierte. Wenn man den Bauern vom Barometer sprach, zuckten sie verächtlich die Achseln. Sie hatten ganz andere, zuverlässigere Wetterzeichen: die Sonnenuntergänge, die Wolken, den Wind. Solange der aus der „Traterbach“ blies, war an gutes Wetter nicht zu denken. Und kein Barometer war da, um ihnen schon vierundzwanzig Stunden im voraus die Freude an einem schönen Tag zu vergällen.
Das Wetter war ihnen eine Fügung des Himmels, in die niemand eingreifen konnte, allerdings, für die aber auch niemand verantwortlich war. Dem Wetter gegenüber hatte man stets das Gefühl der Unschuld, und das hilft über Vieles hinweg.
Heute hat man sein bares Barometer an der Wand hängen und meint, mit Tippen daran könne man sein Scherflein zum Wettermachen beitragen. Man fühlt sich als Mitglied der Firma, als Aktionär sozusagen. Man sieht das Wetter nicht mehr als eine Fügung des Himmels und den Himmel nicht mehr als den unparteiischen Herrn über alles Sein an, seit man glaubt, ihm in die Karten sehen zu können.
Das Barometer ist eines der ohnmächtigen Mittel, die Zukunft zu erforschen. Diese Sucht, die Zukunft zu kennen, ist sehr menschlich, aber sehr verkehrt. Der größte Reiz des Lebens ist das Geheimnis der Zukunft. Wo bliebe die Anziehungskraft einer Lotterie, wenn Gewinne und Nieten im voraus bekannt wären?
Es kann mir niemand einreden, daß die Leute draußen durch die Verbreitung des Barometers glücklicher geworden sind. Jedenfalls hätte an jenem Sonntag Morgen meine alte Freundin Mary vierundzwanzig Stunden lang an dem schönen Wetter ihre Freude gehabt, während sie so mitten im Sonnenschein schon dem kommenden Regen entgegentrauern mußte.