Dies ist geschrieben zum Trost der Frauen, die unglücklich sind, weil ihre Oberlippe mit der Spur eines Schnurrbärtchens beschattet ist.
Sie sollen wissen, daß sie diesen Schönheitsfehler, wenn es einer ist, mit einer Frau teilen, die um die Wende des vorletzten Jahrhunderts die schönste Frau Frankreichs und nach der Überzeugung ihrer Landsleute sicher die schönste Frau der Welt war: Frau Juliette Récamier, von der seit einiger Zeit wieder viel gesprochen wird, weil der französische Ministerpräsident Edouard Herriot über sie ein vorzügliches Buch geschrieben hat.
In diesem Buch findet sich eine Schilderung, die ein Freund der Frau von Staël, Herr Gaudot aus Neuchatel, von Frau Récamter entwirft, die sich damals mit der berühmten Tochter Neckers auf Schloß Coppet aufhielt.
Mitten in einer begeisterten Beschreibung der Schönheiten der berühmten Pariserin steht folgender allerliebster Satz:
„Ich liebe bei ihr sogar gewisse Fehler, wie zum Beispiel das süßeste kleine Schnurrbärtchen, das man sich denken kann.“
Wisset also: Der zarte Flaum, der Eurer Oberlippe entsproßt, tut der Liebe keinen Eintrag. Und das ist doch schließlich die Hauptsache, nicht wahr!
Vielleicht kommt eine Zeit, wo die Damenwelt den Schnurrbart an dem starken Geschlecht rächt, indem sie ihn in Ehren hält, während die Männer sich jeden Morgen die leiseste Spur seines Daseins von ihrer Oberlippe tilgen. Jedenfalls galt bei den Frauen lange Zeit die Theorie, ein Kuß ohne Schnurrbart sei wie alkoholfreier Wein.
Viele sagen Schnauzbart, um dem Wort eine plebejische Nebenbedeutung zu geben. Sie wissen also nicht, daß Schnurre und Schnauze gleichbedeutend sind, daß im Schweizerischen Schnurre oder Schnürre gar Schweinerüssel bedeutet?
Im voramerikanischen Zeitatlter war der Schnurrbart als Sinnbild der Mannbarkeit ein Gegenstand der Sehnsucht für Jünglinge und der liebevollsten Pflege für Männer, ein Aushängeschild, eine Charakterflagge, ein Accent auf einer Persönlichkeit, accent circonflexe, accent grave, accent aigu, usw. Die Schnurrbarttracht war eine Angelegenheit, die sogar Kaiser beschäftigte. Zwischen dem Hängeschnauzbart des alten Flambeau im „Aiglon bis zum „Es ist erreicht“ unter der erlauchten Nase Wilhelms des Letzten lag eine Welt von Nüancen, deren jede für ihren Mann Zeugnis ablegte. Es gab Schnurrbärte, die wirkten, wie ein Kikeriki, wie ein Trompetenstoß, andere waren süß, wie Flötentöne, und andere verzagt, wie Miesmacher.
Heute wartet der junge Mann auf den Schnurrbart nicht mehr, um damit Staat zu machen, sondern um einen Vorwand zu haben, sich die erste Gillette zu kaufen. Die Mannbarkeit liegt nicht mehr im Bart, sondern im Rasieren.
Warum hat uns Männer die Natur so perfid behandelt, indem sie uns einen Schnurrbart anerschuf, der uns ohne operativen Eingriff auf die Dauer beschwerlich, wenn nicht gefährlich werden muß? Wenn ihm nicht Einhalt geboten wird, wächst und wächst er immer länger, hängt sich wie ein Vorhang vor den Mund und wehrt Trank und Speise den Eingang, der Rede den Ausgang. Andere männliche Wesen haben auch Schnurrbärte, aber sie sind in zweckmäßigen Grenzen gehalten. Einem Kater, einem Löwen, einem Pintscher, einem Seehund usw. wird der Schnauzbart nie beschwerlich fallen, im Gegenteil, dem Kater, der auf nächtlichen Schleichwegen begriffen ist, dienen die Schnurrbarthaare als Fühlhörner.
Man sieht, dem Schnurrbart sind vielfache Seiten abzugewinnen, und er hat seine Rolle in der Kulturgeschichte noch lange nicht ausgespielt.