Als Mittel zur Bekämpfung der Sonntagnachmittagslangeweile, die einer der schrecklichsten Schrecken der Kleinstadt ist, waren seinerzeit bei uns die Abonnementskonzerte der Militärkapelle erfunden worden. Sie bewährten sich wundervoll und sind heute eine der angenehmsten Vorkriegserinnerungen. Sie waren eine wahre Erlösung für alle, die für Skat oder für Käseschmieren in Hesperingen und Dommeldingen keinen Sinn hatten. Man ging zu diesen Konzerten einzeln mit der Aussicht auf angenehmen Anschluß, oder familien- und rudelweise, trank sein Bier, rauchte seine Zigarre oder Pfeife, aß sein Schinken- oder Käsebrot oder vesperte sonstwie, unterhielt sich in den Pausen je nach dem Lebensalter über Politik oder Liebe und ergötzte sich zwischendurch an guter, volkstümlicher Musik in musterhafter Ausführung.
Heute haben wir statt dieser Konzerte nur noch Dancings mit dem berüchtigten Weinzwang. Die Gemütlichkeit ist zu den Hunden geflohen. Und diese Art von Sonntagnachmittagsunterhaltung wird von einem Teil der Bevölkerung als höchst einseitig empfunden. Es ist nicht jedermanns Sache, im Takt eines Negertanzes einige Dutzendmale mit vielen andern einen Saal zu durchhüpfen und den Zuschauern ein Schauspiel zu bieten, über das sie in den weitaus meisten Fällen lieblose Bemerkungen machen. Und trotz dieser Gelegenheit, die spöttische oder sorkastische Ader nach Herzenslust fließen zu lassen, kommen auch die Zuschauer nicht auf ihre Rechnung. Zumal nicht ästhetisch. Denn es sieht in den meisten Fällen recht - sagen wir mal hausbacken aus, wie sich die jungen und weniger jungen Damen beim Step von der Rückseite präsentieren. Freilich gibt es Ausnahmen, und die sind dann um so erfreulicher. Aber sie sind selten.
Das wäre also, was so im allgemeinen von den Dancings zu sagen wäre. Wenn in einer Anwandlung von Ritterlichkeit ein Tänzer dagegen protestieren will, so bin ich imstande und lasse einen Joxtrott filmen, um jederzeit den Wahrheitsbeweis für meine Aussagen antreten zu können.
Wie man hört, will unser Militärkapellmeister Fernand Mertens die beliebten Abonnementskonzerte zu neuem Leben erwecken.
Die ersten fanden seinerzeit Jahre hindurch im alten Cercle statt. Schon der Charakter des damaligen Inhabers, Lentze Jang, bürgte für eine Atmosphäre von deftiger Gemütlichkeit. Man fühlte, man war bei Leuten zuhaus, die aus alter Überlieferung die bezahlte Gastlichkeit so auffaßten, daß der Ton auf gastlich und nicht auf bezahlt lag.
Auch heute soll Fernand Mertens es den CercleSaal für seine Konzerte denken. Einen vornehmeren Rahmen könnte er dafür nicht finden, und es ist wohl selbstverständlich, daß ihm dabei die Stadtverwaltung nach Möglichkeit entgegen kommt. Aber hier wird wieder einmal offenbar, welchen Fehler die maßgebenden Stellen vor Jahren begingen, als sie den ganzen Cercle nicht in dem Sinn und Geist betreiben wollten, in denen er concipiert und erbaut wurde. Die gesamten Räumlichkeiten sind auf einen vornehmen Wirtschaftsbetrieb eingerichtet, im Untergeschoß deutet die großzügige Küche nebst Ratskeller auf die Absicht, einen Unternehmer hineinzusetzen, der eine vorbildliche Restauration aufmachen und zugleich bei Bällen, Festessen usw. den Traideur hätte abgeben können. Man hatte weder Einsicht, noch Mut genug, diesen Plan ganz durchzuführen. Sonst wäre heute für die Konzerte, denen diese Zeilen gelten, der vornehme und zugleich volkstümliche Rahmen geschaffen, auf den im Namen einer wohlverstandenen Demokratie und Kunstpflege unsere Bürgerschaft ein Recht hätte.
Auch wieder etwas Gutes, Schönes und Nützliches, das seinerzeit die verdammte Politik zuschanden gemacht hat.