„Dem Engen seng Eil, dem Aner seng Nuechtegailchen,“ heißt ein altes luxemburger Sprichwort.
Es war am letzten Jahrmarkt, um die Mittagsstunde. Vom Glacis her polterten die Ferkelkarren durch die Straßen und man sah viele Männer, deren Äußeres darauf deutete, daß sie im Handeln mit Pferden und Kühen ihren Daseinszweck erblickten.
An mir vorbei fuhr eines der obbenannten Fuhrwerke, ein Teimer mit einem Aufsatz von Lattenwerk. Darin grunzte es wenn man so sagen darf von fröhlichen Kinderstimmen. Ein halbes Dutzend rosiger Ferkelchen füllte den Verschlag; sie torkelten durcheinander, wenn die Räder in eine Unebenheit des Pflasters gerieten, lachten fröhlich über das Intermezzo, steckten die schnüffelnden Rüsselchen zwischen den Latten durch, riefen den Passanten Frechheiten zu: He, du, Dicker, zahlst du keinen Topf Dickmilch! Oder: Fräulein, Ihre Röcke sind ja zu kurz, und Sie haben ein Loch im Strumpf!
Vorn auf der Karre saß die Bäurin und hielt lässig die Zügel in der Hand. Sie schaute angestrengt in die andre Woche. Und was sie da sah, war offenbar nicht erfreulich. Denn sie machte ein wehmütiges Gesicht. Vielleicht kribbelte es auch nur unheimlich in einem ihrer hohlen Zähne und sie überlegte, ob sie nicht lieber gleich sich das Tuch um den Kopf binden sollte.
Der Bauer trollte hinter dem Karren drein. Die Pfeife hing ihm kalt im Mund. Die Hände mit der Peitsche hatte er auf dem Rücken verschränkt. Sein Blick war hartnäckig auf einen imaginären Punkt gerichtet, der zwischen den zwei Rädern etwa fünfzig Zentimeter vom Boden in der Luft hing. Diesen unsichtbaren Punkt hielt der Bauer mit dem Blick fest. Und dieser Punkt war offensichtlich für ihn ein Gegenstand des Mißmuts und der Sorge, genau so wie es die Ereignisse der nächsten Woche oder das Kribbeln im hohlen Zahn für seine Frau waren.
„Haben sie nichts gegolten?“ frug ich teilnahmsvoll, als ich an dem Bauersmann vorbeiging.
Er blickte nicht auf, schüttelte nur traurig den Kopf und knurrte dazu kaum vernehmlich. Aber das Knurren kam aus den tiefsten Tiefen seines besorgten Gemütes. Vielleicht hatte er auf den Erlös aus der Ferkelprogenitur gerechnet, um die überfälligen Zinsen beim Notar zu bezahlen, oder die Kinder brauchten neue Schuhe, oder er hatte einen, der studierte, und die Ferien gingen zu Ende - wer weiß, wozu allem ein Bauer Geld braucht!
Die Ferkelchen aber grunzten vergnügt, sie merkten, daß es wieder heim zu Muttern ging, sie sahen das Ganze als einen hübschen Ausflug an, wie Kinder, die zur Oktav mit in die Stadt durften.
Des Bauern Eule war ihre Nachtigall.
Es kam aber auch vor, daß der Mann von draußen seine Ferkel um jeden Preis losschlug. Er fluchte und wetterte, der Metzger lachte, die Ferkel mußten ihr junges Leben lassen, aber die Kostgänger, denen die Mary abends die frischen Schüsseln mit der Gelee brachte, die wie Haufen Topase auf dem Teller glitzerte, und mit den zarten, mattweißen Fleischstücken darin, - die lachten.
Bauer und Ferkel: Die Eule!
Metzger und Kostgänger: Die Nachtigall!