Original

18. Oktober 1924

Am verflossenen 9. Oktober, so gegen 2 Uhr nachmittags, ereignete sich irgendwo zwischen Martelingen und Wasserbillig Folgendes:

Ein junger Mann fuhr auf seinem Rad über die Landstraße, als er in den Lüften das Summen eines Propellers hörte. Es kam immer näher und immer tiefer, und dann sah er ein Riesenflugzeug etwa in Kirchturmhöhe über der Landschaft vorbeistreichen. Er verfolgte es mit den Blicken, achtete nicht auf die Straße und fuhr heftig gegen einen Erdhaufen.

Es wird diesen jungen Mann interessieren, zu erfahren, daß er beobachtet wurde, und daß er infolge seiner Unachtsamkeit in die Zeitung gekommen ist.

Das Flugzeug war nämlich eines von denen, die zwischen Basel und Amsterdam den Postdienst versehen und neben dem Piloten saß ein Korrespondent der „Basler Nachrichten“, der als Gast der „Sabena“ mitfuhr und in der letzten Mittwoch-Nummer der „Basler Nachrichten“ den Verlauf der Fahrt erzählt. Hier die betreffende Stelle:

„Wir näherten uns rasch den Regenwolken, die von Südwesten her über die Ardennen strichen. Diese mäßig hohen Waldhügel und zum Teil gerodeten flachen Kuppen eignen sich natürlich zu einer Notlandung keineswegs; ich begrüßte darum mit besonderer Freude die fruchtbaren Gefilde von Luxemburg, über denen freilich heute kein Sonnenschein lächelte. Schon seit geraumer Zeit schien mir, als ob uns der Wind mit Erfolg in der Richtung gegen das Eifelgebirge abtreibe; ich wunderte mich darum nicht, als der Pilot um halb zwei Uhr eine entschiedene Wendung nach rechts machte, von wannen der Wind heulte. Da war es mir eine Zeitlang nimmer recht geheuer, als wir immer tiefer und tiefer flogen, als wir bloß um Baumhöhe über dem Wald dahinschossen und es wie mit Kübeln heruntergoß. Kein Mensch war auf den Feldern zu sehen; in den hübschen Dörflein, deren Häuser hier schwarze Schieferbedachung tragen, gafften die Leute wie gestern zu uns herauf. Auf offener Landstraße schaute ein Velofahrer dem sehr niedrig fliegenden Apparat zu, und ich fand es lustig und unterhaltsam, wie das Velo sich mählich einem Kieshaufen näherte, und wie der Bursche plötzlich durch einen sehr unsanften Ruck daran erinnert wurde, daß er zunächst auf seine eigene Sicherheit bedacht sein sollte. So ein Brummvogel ladet sich eigentlich während der langen Reise allerlei auf das Gewissen. Wie mancher Gwundrige hält auf dem Felde, in seinem Hause, auf dem Bauplatz, in den Fabrikanlagen mit der Arbeit inne, wenn Propellersurren an sein Ohr dringt.“

Wenn der junge Radler diese Zeilen zu Gesicht bekommt, so erhält dadurch sein Erlebnis für ihn eine tiefere Bedeutung. Es wird ihm klar werden, daß zwischen Himmel und Erde heutzutag viel engere Beziehungen bestehen, als er es sich bisher gedacht hatte.

Schmerzhaft für unsern Lokalpatriotismus ist in demselben Flugbericht folgende Stelle:

„Die Stadt Luxemburg machte von oben keinen anziehenden Eindruck, aber sehr wohl gefielen mir eine Viertelstunde später die weiten Rebenhänge an der Mosel. „Bon vin!“ schrie ich meinem Nachbarn in die Ohren und erhielt eine typische Hand- und Kopfbewegung als klare Antwort.“

Hat es nun dieser Basler Kollege mit seinem bon vin ernst gemeint oder nicht? Und worauf beruhte der schlechte Eindruck, den ihm die Stadt Luxemburg von oben machte? Wer wird in Zukunft noch Bürgermeister in Luxemburg sein wollen, wenn er bei aller Mühe und Plackerei auch noch für eine Stadt-Toilette sorgen soll, die „nach oben“ einen anziehenden Eindruck macht?

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