Original

22. Oktober 1924

Ein Freund von mir war in großer Verlegenheit. Er wußte nicht, ob er sich ein Grammophon kaufen oder eine Radio-Empfangstation bauen lassen sollte.

In seiner Unentschlossenheit wandte er sich an mich, und ich riet ihm sofort resolut zu einem Grammophon. Warum, wüßte ich, nicht zu sagen. Ich nehme an, daß die Gewöhnung an alphabetische Reihenfolge mir zuerst das Grammophon auf die Zunge legte.

Mein Freund blickte eine Weile nachdenklich vor sich hin und sagte:

„Ja, das habe ich mir auch schon gedacht. Ein Grammophon hat allerhand für sich, Aber eine T. S. F. ist doch ihrem Wesen nach großartiger und allumfassender. Sie bringt dich sozusagen mit der ganzen Welt in Verbindung, ja, sie sagen, es sei sogar nicht ausgeschlassen, daß wir eines Tages vermittels Rundfunks mit dem Mars korrespondieren werden. Und dann die Möglichkeit unbegrenzter Abwechslung. Heute kann ich eine Rede von Herriot, morgen vom Ras Tafari hören, einen Vortrag über das Einmachen von Schnittbohnen oder den Segen der Pockenimpfung, ein Lied von Frau Le Belley oder ein Violinkonzert von Herrn Le Belley, ich erfahre das Neueste aus den Zeitungen und auf die Sekunde genau die Zeit ....“

„Gut, also kauf dir eine T. S. F.“

„Ja, aber ich habe dann keine Wahl, ich muß mir gefallen lassen, was sie gerade bieten. Wenn mir nun am Bohneneinmachen und am Segen der Pockenimpfung nichts liegt und ich statt der Lieder von Frau Le Belley und der Violinvorträge ihres Mannes lieber die Neunte von Beethoven hörte - denn du mußt wissen, das gibt es, die Neunte, derart sind diese Apparate und die Platten dazu heute vervollkommnet! - und wenn ich mir ein Stück, das mir besonders gefallen hat, nach Belieben wieder vorspielen will, so kaufe ich mir doch besser ein Grammophon und lege mir eine Bibliothek schöner Platten an.“

„Gut, so kaufe dir ein Grammophon.“

„Hm ja, das ist aber doch so ’ne Sache. Man ist doch schließlich ein besserer Kulturmensch, und du weißt, das Grammophon ist in den Kreisen der verfeinerten Intellektualität unbeliebt, ja verschrieen, ähnlich wie die Drehorgel, das Konversationslexikon und der Büchsenhummer.“

„Gut, also laß dir eine Radiv-Station bauen.“

„Allerdings. Aber wenn nun wieder Krieg wird, so schneiden sie mir meine Drähte durch und schlagen mir den Apparat kurz und klein und mein schönes Geld ist hin. Während ein Grammophon voraussichtlich im Preis steigen wird, wie alle Sachwerte und uns über allerlei trübe Stunden hinweghelfen kann. Und siehst du, wenn ich mir eine Platte gekauft habe, gehört sie mir, sie spielt für mich gegen Bezahlung, ich bin niemanden was schuldig. Dahingegen bei der Radio-Station sitze ich sozusagen als Zaungast in einer Ecke, ohne Entree zu bezahlen, und ich war nie dafür, Kollegien zu schinden.“

„Also kauf dir ein Grammophon.“

Er kratzte sich hinter den Ohren und sagte:

„Jetzt bin ich, so weit, wie zuvor Jetzt weiß ich erst recht nicht, was ich kaufen soll.“

„Gut,“ sagte ich, „so kaufe dir eine Radio-Station und ein Grammophon.“

Daraufhin kaufte er sich eine neue Zeiß-Camera.

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