Original

25. Oktober 1924

Eine neue Nummer der „Illustration de la Belgique, du Grand-Duché de Luxembourg et de la Colonie“ ist erschienen.

Man wird es schließlich müde, sich darüber aufzuregen, daß von hier aus so wenig, weniger als wenig, eigentlich gar nichts getan wird, um im Interesse unseres Landes dieses wundervolle Propagandawerkzeug zu benützen. Von ein paar Beiträgen abgesehen, die bei der Leitung der „Illustration“ die bereitwilligste Aufnahme fanden, ist von unserm Ländchen in dieser vornehm gehaltenen Monatsschrift nie die Rede gewesen. Man kann aber doch nicht verlangen, daß die Brüsseler sich endlos um luxemburger Beiträge bemühen; diese müßten von hier ausgehen. In der letzten Nummer sind wir mit zwei kurzen Meldungen vertrete: daß der belgische Gesandte Graf Laubespin einen zweijährigen Urlaub antritt, und daß die Gemahlin des Prinzen Rupprecht von Bayern einem dritten Kind das Leben geschenkt hat.

Schwamm drüber Sehen wir, was die „Illustration“ Interessantes über den Kongo zu sagen weiß. Es hat für uns gesteigerte Bedeutung, seit unsern jungen Landsleuten im Kongo eine willkommene Möglichkeit des Fortkommens eröffnet ist.

Der Name Kongo war uns bislang nicht viel mehr als ein geographisches Vokabel, ein Klang, der andre Namen aufklingen ließ: Stanley, Leopold II. Und für uns klangen auch noch viel bescheidenere, aber vertrautere Namen mit, Namen von Kameraden, die im Kongo unterlagen oder siegten, Gusty Schaefer, Hansen, Nik Cito. Einige von uns haben das Kolonialmuseum von Tervueren gesehen. Sie bekamen darin eine Ahnung von dem wirtschaftlichen Wert der belgischen Kolonie für das Mutterland und von dem genialen Weitblick des Koburgers, der Belgien diese Kolonie geschenkt hat. Im allgemeinen aber sind wir gewöhnt, den belgischen Kongo als etwas Fertiges, immer Dagewesenes aufzufassen. Man macht sich indes vom Wert einer Sache erst den richtigen Begriff, wenn man weiß, was sie gekostet hat. Und was die Kongokolonie Belgien an Blut und Heldenmut gekostet hat, lesen wir in einem brennend interessanten Artikel von Léo Lejeune in der Oktobernummer der „Illustration“.

Der Artikel schildert nach einem Interview die Tätigkeit des bekannten Kongomannes Colonel Henry während der Jahre, wo es galt, die junge Kolonie von den arabischen Sklavenhändlern zu säubern und sie gegen englische und deutsche Annexionsgelüste zu schützen, gegen die englische Unverfrorenheit eines Stokes und gegen die Mausergewehre, die ihm die Deutschen lieferten.

In jener heroischen Zeit waren die Belgier drüben wie man heute sagt „un peu là“, sonst wäre es nicht denkbar, daß sie sich im Kongo hätten festsetzen können, dem englischen und deutschen Wettbewerb zum Trotz. Von 1886 an, wo die Araber in Stanleyville die belgische Besatzung geschlagen hatten, ging der Kampf ohne Unterlaß gegen die Sklavenhändler von der Nordküste. Die Namen Henry, Dhanis, Daenen, Fivé, Hanolet, Descamps, de Bruyne, Odilon de Heusch, Cassart, Lippens, Tobback, Ponthier, de Wouters d’Oplinter, Arthur Hodister u. a. m. sind mit der Geschichte des Kongo unlöslich verknüpft und erinnern an Taten, die von überragender Feldherrnund Organisationskunst wie von tollkühnem Unternehmungsgeist, heldenhafter Widerstandskraft und unerschöpflichem Opfermut bis in den Tod Zeugnis ablegen. Es ist gut, daß wir uns hier solche Beispiele vor Augen halten, damit wir in unsern neuen wirtschaftlichen Bundesgenossen nicht immer lediglich Leute sehen, die uns als ein Absatzgebiet für Zigaretten und Schokolade auffassen. Die gute, alte belgische Rasse lebt in den Gestalten, deren Bilder den Artikel von Léo Lejeune illustrieren. Und uns, die zu Blutopfern nie erzogen wurden, muß es doch einigermaßen beschämend eingehen, wenn unter solchem Bilde steht: „massacré par les Arabes à Kasongo“ .... „tué à l’assaut d’un boma arabe“ .... „mort en combattant à Stanleyville“ usw., wo wir Pulverdampf nie gerochen und höchstens im Kino auf der Leinwand gesehen haben.

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KatalognummerBW-AK-012-2753