„Ich hatte immer gehört,“ sagte er, „daß Luxemburg ein Herd des Internationalismus, eine WeltKarawanserei, ein Knotenpunkt der Völker und Rassen sei, aber so hatte ich es mir nicht vorgestellt.“
Ich fragte, wie er zu dieser Wahrnehmung komme.
„Ei, ich war gestern abend in einem Lokal - wie hieß es schon? Irgendein englischer Name. Überhaupt, wenn es die „Stuff“ nicht gäbe, so hättet Ihr hier kein einziges Lokal mit luxemburgischem Namen.“
Ich nannte ihm mehrere, wie „Bei Beeßels Jängi“, „De schaarfen Eck“ usw., aber die waren ihm nicht offiziell genug.
„Dies war der Titanic, oder Gigantic ....“
„Vielleicht Majestic?“
„Kann wohl sein. Den ersten Eindruck von Internationalismus bekam ich von den Namen der Inhaber: Haydu und Alff. Das ist eine Vermählung von Exotischem und Heimischem. Und sogar das Exotische darin klingt vertraut. Haydu ist ungarisch. Und trotzdem: Haydu scharmantes Dudeldudeldei usw. Sie kennen ja das Lied? Und Alff! Das ist ein Name, der totsicher nur im Moselfränkischen daheim ist.“
„Wie das sich trifft!“ meinte ich. „Moselfränkische Luxemburger sind vor achthundert Jahren nach Ungarn ausgewandert und dort lange von den Magyaren gepiesackt worden. Und nun heiratet ein Ungar ausgerechnet eine Luxemburgerin, deren Ahnen nach Ihnen aus dem Moselfränkischen stammen.“
„So so? Hoffentlich verschafft sie ihren Landsleuten Revanche. Also wie gesagt, der Anfang war vielversprechend. Ich ging die Treppe hinauf, das Lokal war voll, der erste Kellner, den ich auf französisch anredete, antwortete mir deutsch, der zweite, den ich auf deutsch anredete, antwortete mir französisch. Ein belgisches Orchester spielte amerikanische Tänze.
An einem Tisch war noch grade ein Platz frei. Als ich frug, ob der Stuhl nicht besetzt sei, sagte ein Herr: „Nein, bitté.“
Da hatte ich also schon den Österreicher. Tatsächlich entpuppte er sich als Wiener, der hier ein internationales Verkehrsbüro großen Stils leitet. Der Herr neben ihm hatte einen Orden im Knopfloch, war also Belgier, Generalvertreter der internationalen Schlafwagengesellschaft, wie ich später hörte. Sie tranken deutschen Mosel. Überhaupt Eure Weinkarte! Wenn jemals einer an dem internationalen Charakter Luxemburgs zweifelt, so halten Sie ihm eine luxemburger Weinkarte unter die Rase.
Langsam orientierte ich mich. Der Kellner, der zuerst deutsch geantwortet hatte, konnte auch französisch, natürlich. Wer drüben am Tisch die Herren waren, die englisch sprachen? Das war ein Großfabrikant, der bis vor Torschluß Deutscher gewesen war, jetzt naturalisierter Luxemburger, er hatte eine Luxemburgerin geheiratet und verhandelte grade mit Geschäftsfreunden aus Amerika über eine Filiale, die er drüben gründen wollte. Dazu tranken sie echt englischen Whisky mit Soda.
Die hübsche schwarze Dame drüben? Das war eine Engländerin, die in Britannien von spanischen Eltern geboren war und in London einen Luxemburger italienischer Abkunft geheiratet hatte.
Die muntere Gesellschaft am Ecktisch, auf dem Eiskübel mit daraus aufragenden weißen Flaschenhälsen standen? Internationale luxemburger ColumetaLeute mit Kunden aus Holland, Amerika, England, Brasilien und Japan.
Aber auch nicht ein Tisch, der nicht eine bunte Musterkarte von Nassen und Nationalitäten gewesen wäre. Doch, einer. Da thronte ein noch junger Mann in den besten Jahren mit Freunden, denen er die neuesten Witze erzählte. Der war ein so echter Luxemburger, daß sogar die Mosel, die doch in der Hauptsache französisch und deutsch und nur auf einer kleinen Strecke und auch dort nur auf einem Ufer luxemburgisch ist - daß sogar die Mosel, sage ich, in seinem Namen auf luxemburgisch rauscht. Und auch dieser waschechte Luxemburger ist noch so international angehaucht, daß er das meiste Bier, das er braut - denn er war es - ins Ausland verkauft.“