Original

18. November 1924

Er hieß - wie hieß er schon? - - Gabriele.

Sie hieß Flametia.

Sie trafen sich zuerst an der Schönen Aussicht, vor dem Pescatorestift.

Obgleich es nicht die Liebe auf den ersten Blick war, kam es doch zur Verlobung.

Vorher waren sie einander näher getreten. Er hatte zu ihr gesagt, es sei ihm ein Trost, über die Einzelheiten ihres Privatlebens Bescheid zu wissen. Er könne sie dann besser „situieren“. Ihr Bild bekomme dadurch in seiner Vorstellung einen Rahmen und könne an Liebreiz nur gewinnen.

Sie erzählte ihm von ihrem Daheim. Er merkte bald, daß der schlohweiße Kater Munz in ihrem Leben eine große Rolle spielte. Um auch sein Bild in ihren Gedanken einzurahmen, schilderte er ihr sein Junggesellen-Interieur.

Er hatte zwei reizende Kanarienvögel, die so zahm waren, daß sie frei im Zimmer herumflogen und sich ihm auf den Zeigefinger setzten, sobald er ihn ausstreckte.

„O weh!“ sagte sie traurig, als sie zuerst von den Kanarienvögeln hörte.

„Ach so!“ sagte er freudig, denn er hatte verstanden. Sie hatte in Gedanken den Schritt zur endgültigen Vereinigung getan und sich bange gefragt wie der Kater Munz sich den Kanarienvögeln gegenüber benehmen würde.

Das führte zur Verlobung.

Als es bis zur Hochzeit nur noch acht Tage waren frug sie ihn, was denn nun mit ihren gegenseitigen Menagerien werden sollte.

„Ich bin zu jedem Opfer bereit,“ sagte er. „Es soll nicht sein, daß an zwei Kanarienvögeln unsere Liebe zugrunde geht.“

„Und an einem Kater!“ sagte sie, vollkommen einverstanden.

Andern Tags kam sie mit rotgeweinten Augen und sagte ihm, sie habe den armen Munz von einem befreundeten Tierarzt vergiften lassen, weil sie ihn nicht zu fremden Leuten geben wollte, die vielleicht ungut zu ihm gewesen wären. Und er setzte in ihrer Gegenwart seine zwei Kanarienvögel vors Fenster von wo sie bald in den Baumwipfeln des nahen Parks verschwanden.

Als sie zirka drei Monate verheiratet waren, sagte Fiametta eines Abends in der Dämmerstunde zu Gabriele:

„Männe, Schatz, ich habe dir ein Geständnis zu machen.“

Ihn durchfuhr es süßbang wie Ahnung künftig Vaterfreuden.

„Nein, nicht was du glaubst,“ sagte sie vers „Ich bin schlecht und gemein. Mein Munz, weißt du mein weißer Kater ....“

„Den du mir zulieb hast vergiften lassen.“

„Ich habe ihn ja gar nicht vergiften lassen. Er lebt und ist munter. Ich sagte nur so. Ich bin wirklich gemein. Aber du, Männe, darf ich ihn jetzt wieder zu mir nehmen? Deinen Kanarienvögeln kann er nicht mehr gefährlich werden.“

Er nahm sie in die Arme, küßte sie auf die auf die Augen und auf den Mund und sagte:

„Du bist mein süßes kluges Frauchen. Du hast den Nebel der Verliebtheit deutlich gesehen, der für unsern Zweck genügte, wenn meine Vöge schwanden. Aber du hast getan, als ob du nach Das war klug und mütterlich von dir. Mundus decipi. Mundus ist männlich. Wir lassen Cuch gerne betrügen, aber Ihr müßt dafür die Technik haben. Und nun komm, wir fahren deiner Tante und holen deinen Munz.“

„Woher weißt du, daß er

„Ich habe ihn dort am Tage nach seinem T Vergiftung gesehen.“

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