Liebe Leserin und lieber Leser! Ich habe Euch seit Jahren nach Wahl und Stimmung bald mit Du, bald mit Sie, bald mit Ihr angeredet. Es ist an der Zeit, daß wir uns über die psychologische Bedeutung dieser Anrede einmal klar werden.
Also geduzt, geihrzt und gesiezt haben wir uns. Das ist eine der Eigentümlichkeiten der deutschen Sprache, daß man in ihr seinen Nebenmenschen so nüanciert anreden kann. Der Engländer hat nur die zweite Person der Mehrzahl, wenn er einem nicht grade biblisch oder poetisch kommt. Die Engländer sind eine respektvolle Nation, sie siezen alle andern, sich selbst aber schreiben sie immer groß. Für die andern haben sie alle Hochachtung, die meiste Hochachtung aber haben sie für sich selbst. Das ist der sicherste Weg, zu etwas zu kommen.
Der Franzose hat zwei Anreden, die Einzahl und die Mehrzahl, immer in der zweiten Person. Ebenso der Luxemburger. Wir sagen Du und Dihr. Der Deutsche hat hingegen genau doppelt so viel Möglichkeiten, einem Bescheid zu sagen. Er hat sowohl in der Ein- wie in der Mehrzahl die zweite und die dritte Person. Er sagt: Du, du liegst mir am Herzen! Er sagt: Halt Er’s Maul! Er sagt: Kinder, Kinder, Ihr seid Kinder, Hoffnungsvolle kleine Sünder! Und er sagt: Sie Rindvieh! Eigentlich und offiziell ist die dritte Person der Mehrzahl die Trägerin der größten Hochachtung, und Sie Rindvieh! steht hier eigentlich nur, um die Discrepanz zwischen Hochachtung und Injurie fühlbar zu machen. Die dritte Person der Einzahl hingegen ist direkt grob und mißachtungsvoll. Dieser Widerspruch hat sich aber erst im Lauf der Zeit herausgearbeitet. Das „Er“ ist in Verruf gekommen grade wie „das Frauenzimmer“, dessen sich früher keine Dame zu schämen brauchte.
Der Sprachgebrauch, der im Siezen den Einzelnen multipliziert, macht damit eine Verbeugung vor der Macht der Zahl. Man nennt den Einzelnen Ihr und Sie, um anzudeuten, daß man ihn für stärker und mächtiger hält, als sich selbst, grade wie man beim Grüßen vor ihm das Haupt entblößt und neigt mit der symbolischen Bedeutung, daß man sich ihm unterordnet. Das ist natürlich Heuchelei. Man wird erst wieder wahr, wenn die Heuchelei keinen Zweck mehr hat, das heißt, wenn man dem andern grob kommen will, wenn man sein Freund oder wenn man verliebt ist. Dann sagt man Du.
Aber auch da kennt der Franzose noch raffinierte Übergänge. Je vous aime! kann ebenso schwül und schwer von Liebe sein, wie Vous êtes un voyou@ von Verachtung, trotz des vous. Im Englische@ das geschriebene you keine Nüancen. Und d@ stehen sie ganz sicher. I love you! bedeutet ganz @ einmal: Ich liebe Sie′ und ein andermal: Ich @ Dich lieb! Beim Übersetzen englischer Bücher @ darum zweifellos eine große Einfühlungsgabe @ den Augenblick zu erfassen, wo vou noch mit S@ wo es auf einmal mit Du übersetzt werden @
Grade im Verkehr Liebender wird die Anred@ Bedeutung und Wichtigkeit haben. Der P@ majestatis ist da wie eine seelische Bekleidung@ es ist nicht einerlei, wann und wie die letzte @ fällt. Feinschmecker sollen behaupten, es, läge@ ein Reiz der seltensten Art darin, die Scheu v@ preisgebenden, enthüllenden, endgültigen Du @ alle Himmel hindurch nicht fallen zu lassen. Sie @ darin die tiefste Reverenz vor der Heiligke@ Frau, und wenn sie aufrichtig sind, so müss@ gestehen, daß die Raffiniertheit des Empfind@ ihrem Fall den perversen Anstrich banger Auf@ und stolzer Erniedrigung gewinnt, mit dene@ Entheiligung einhergeht.