Es ist eine schwierige Sache um die Berufswahl. Meine Leser werden mir deshalb für einen gutgemeinten Fingerzeig dankbar sein.
Was verlangt man, ideal gesprochen, von einem Beruf? Daß er einem innere Befriedigung und Genugtuung verschaffe, und daß er der Allgemeinheit von Nutzen sei.
Heute vormittag habe ich diesen Veruf entdeckt. Ich ging über die Neue Brücke in der Richtung nach dem Bahnhof. Nebenbei gesagt soll man nicht versäumen, von Zeit zu Zeit vormittags über die Neue Brücke bahnhofwärts zu gehen. Da kommt einem die Sonne gradewegs entgegen und man kann sich mit etwas Phantasie und Optimismus einbilden, dieser Weg führe direkt in den Himmel, weil der südöstliche Horizont zu dieser Stunde licht ist, wie das Himmelstor.
Am diesseitigen Vrückenkopf war es, wo mir das Verständnis für den neuen Beruf aufging. Da war ein Mann damit beschäftigt, aus einer langen Gummischlange durch eine kupferne Lanze Wasser über das Pflaster zu spritzen. Ich sah ihm nur eine halbe Minute zu, da wurde ich schon von Reid erfaßt. Dieser da, das war mir ohne weiteres klar, hatte den Ideal-Beruf erwählt. Daß er der Allgemeinheit von Nutzen war, ließ sich keine Sekunde lang bezweifeln. Denn auf zwanzig Meter Radius um ihn herum war das Pflaster so blitzblank, daß man an den Granitsteinen jedes Flimmerkörnchen zählen konnte. Wo vorher eine klebrige, glitschige Haut von Kot gewesen war, da war jetzt köstliche Sauberkeit.
Und daß der Mann an seinem Beruf Freude hatte, las man thm vom Gesicht ab. In seinen Augen war Stolz und über feine Züge spielte ein Lächeln der Zufriedenheit.
Hier waren also die beiden Kriterien des idealen Verufs. Und wenn somit ein junger Mann nicht grade Wert darauf legt, in der Haut eines Multimillionärs zu sterben, so rate ich ihm, beizeiten seine Kandidatur für das Amt eines Mannes mit der Wasserspritze aufzustellen. Seine Laufbahn wird voller Genug- tuung sein und wenn er einen schlechten Charakter hat, so wird auch dieser sich zweifelsohne infolge der Eigenart seiner Beschäftigung bessern. Ein Mensch. der Freude an seinem Beruf hat, bekommt unweigerlich einen guten Charakter. Und wie solltest Du an diesem Beruf keine Freude haben! Stelle Dir nur das Machtgefühl vor, das Dich durchrieselt, wenn Du spürst, wie diese brausende Kraft Deinen Händen entströmt - die Kraft der Hubmaschine aus dem Talgrund bei Kopstal und die Wucht des Druckes von der Brideler Höhe herunter, beide sind in den Wasserstrahl gebannt, den Du beherrschest. Du wirkst mit ihm rauschend und klatschend um Dich herum, als entstürzte er Deinen Adern, als sei er ein Stück von Dir, das herrliche Gottesgeschenk Wasser, Prinzip des Lebens und der Sauberkeit, ist in Deinen Dienst gestellt, der Strahl ist wie ein lebendiger Zauberbesen, der aus sich selbst heraus schafft, von dem jedes Reis sich in jauchzendem Vernichtungsdrang auf den Feind der Menschheit stürzt und die Unsauberkeit vernichtet, hinunterschwemmt in die Tiefen, in denen sie nicht mehr schaden kann. Du fühlst diese reinigende Gewalt Deinen Händen entströmen, kannst sie nach Belieben um Dich herumlenken - kannst sogar, wenn jemand Mißliebiges vorübergeht, ihn oder sie unversehens an die Beine spritzen - kurzum. Du bist einer von den Gottbegnadeten, die wühelos in die Ferne wirken und denen die Welt für ihr Wirken dankbar ist.
Herr Cahen, ist keine Stelle an der Wasserspritze wehr frei?