Wie die Heringe und Sardinen zu bestimmten Zeiten in geschlossenen Zügen durchs Meer und wie im August die Sternschnuppen durch den Himmel schwärmen, so ziehen um diese Jahreszeit die Kirmessen massenweise durch den Kalender. An einzelnen Sonntagen werden sie in Scharen bis zum halben Hundert und darüber angetrosfen.
Kirmes! Das Wort ist eine aurorarote Rosenpforte, durch das wir zu eitel Wonne und Lust eingehen. So war es wenigstens, als wir Kinder waren, und so wird es wohl auch noch für die Kinder von heutzutage sein. Die Kirmes ist die Zeit, wo der Sonntag zu unerhörter Pracht und Fülle gesteigert ist, wo durch die trübe Rinne des Alltags auf einmal Milch und Honig fließen, wo die Onkel und Tanten, die Vettern und Kusinen kommen, um sich an den Herrlichkeiten mitzufreuen, in einem Wort: Wo Kirmes ist.
Es gibt indes zwei Arten von Kirmes. Die äußere Kirmes, wenn man so sagen darf, und die innere Kirmes.
Die äußere Kirmes könnte man nennen die Kirmes von Rollingergrund. Mit diesem Ortsnamen ist dann nicht der Häuserkomplex gemeint, der sich zwischen dem Restaurant Wintersdorff und der Fayencerie erstreckt. Die Kirmes von Nollingergrund ist die Kirmes überhaupt, die für die Gäste von auswärts in den Gastwirtschaften eines Dorfes gerichtet und in den Zeitungen annonciert wird. Diese Kirmes hat man sich vorzustellen als ein üppiges Frauenbild mit dicken Waden, das sich im Tanze schwingt, mit einem Chignon von Würsten, in den Schinken- und Käsebrote gleichsam als spanische Kämme hineingesteckt sind.
Das ist die äußere Kirmes, die Kirmes der Wirte einerseits und andererseits der Stadtleute, die einen Nachmittag und Abend draußen verprassen wollen. Ihr fehlt der Kirmes-Vormittag, ein Hauptbestandteil jener andern Kirme, die wir innere oder Familienkirmes nennen wollen.
Diese ist ein Fest innerer Ordnung, wie eine Hochzeit oder eine Kindtaufe, mit dem Unterschied, daß alle im Dorf es miteinander feiern.
Diese Kirmes ist ihrem tiefsten Wesen nach Sache der Frauen und nur äußerlich auch Sache der Männer. Sie ist wie ein Blumenboot, das von Frauen gebaut, geschmückt, ausgerüstet, gerudert und gesteuert wird und in dem die Männer mitfahren dürfen.
Nisi domina aedificaverit domum - wenn die Frau die Kirmes nicht rüstet - in vanum laboraverunt qui aedificant eam - nous pourrions nous brosser le ventre. Von der Frau hat die Kirmes den Einschlag von Süße und Milde und Überfluß, von Allesverstehen und Allesverzeihen, von Allgewährung und allen himmlischen Rosen, die in ihrer Gesamtheit die Kirmes ausmachen.
Also Ihr Mannsleute, die Ihr Euch gestern und vorgestern die Treipen und den Jelly und Biwelamod und das Gehäcks mit gebackenen Zwetschgen und den Streuselkuchen und die Äpfeltorten und Birnensladen habt köstlich schmecken lassen und auch heute noch werdet schmecken lassen und die Ihr heute abend oder morgen in einer saubern, hausgemachten Serviette einen halben Kranz Kuchen und ein pslastersteingroßes Trumm Schinken mit nachhaus nehmen werdet, denkt bitte über Eurer Partie Mensch oder Zwick auch zuweilen an die Frauen, die Euch mit diesem Wohlleben gütig lächelnd umsponnen, Euch all diese Köstlichkeiten gebacken und gesotten, gekocht und gebraten haben und für die die Kirmes im Jahre steht als ein Popokatepet! von Arbeit und Mühsal.