Herr Grimberger fühlte sich veranlaßt, mir aus dem Schatz seiner Lebensweisheit Einiges mitzuteilen.
„Sind Sie mit Ihrem Los zufrieden?“ frug er mich unvermittelt, mit zorniger Miene, indem er mir die Frage wie einen Pistolenlauf vor die Stirn hielt.
„Warum nicht?“ meinte ich etwas eingeschüchtert. „Es geht mir, unberufen, nicht schlecht, meine Gesundheit .....?“
„Aha, also auch einer von diesen Feiglingen!“ Und als ich ihn verblüfft anstarrte: „Jawohl, mein Herr, Zufriedenheit ist Feigheit. Ich sage Ihnen, niemand, kein Mensch ist zufrieden, Sie auch nicht.“
„Aber ....!“
„Kein aber. Sie tun nur so, als ob Sie zufrieden wären. Aus purer. Feigheit! Ich werde Ihnen gleich sagen, wieso. Vorderhand bleibe ich dabei, daß es keinen zufriedenen Menschen gibt, Idioten und Säuglinge vielleicht ausgenommen. Vielleicht! Wer reich, gesund, schön, stark, gescheit, mächtig ist, ist unzufrieden, weil über ihm ein andrer noch reicher, gesunder, schöner, stärker, gescheiter und mächtiger ist. So sich aber einer für dies alles im Superlativ hält, also daß keiner ihn mehr übertröfe, so ist er nicht zufrieden, sondern verrückt und reif für Schloß Dorn. Der Knote, der für drei Millionen im Jahr geschoben hat, ist unzufrieden, weil ein noch größerer Knote für vier Millionen geschoben hat, die Frau, der alle Männer der Erde zu Füßen lägen, wäre unzufrieden, weil sie nicht im Himmelsraum herumfliegen und den Männern auf dem Mars auch noch die Köpfe verdrehen könnte.
Riemand ist zufrieden, aber alle stellen sich so, wenn’s darauf ankommt, weil sie Angst haben, falls sie nach mehr verlangen, so könnten Sie den Appetit der hungrigen Massen reizen. Sind Sie nie in einem überfüllten Boot gefahren? Und hatten Sie nicht Last, zu schaukeln? Sie unterließen es, weil Sie dachten, daß dann auch andere schaukeln wollten und das Boot umkippen würde. Sehen Sie, Sie spielen die Zufriedenen, weil Sie die Unzufriedenheit bei den Massen nicht schüren und den Umsturz nicht beschleunigen wollen. Die Unzufriedenen, alle Achtung! Sie haben den Mut der Wahrheit. An den Zufriedenen tächt sich ihre Verlogenheit von selbst. Grade sie kommen in den Ruf, Genießer zu sein, und grade sie sind es schließlich, die von der Masse für älles Elend verantworilich gemacht werden.“
Also, Herr Grimberger, Sie meinen, ich soll unter die Querulanten gehen und auf den Genuß verzichten, den mir meine Zufriedenheit verschafft, weil mich die Leute sonst für einen Genießer halten?“
Nein, wahr sollen Sie sein, ein Kind Ihrer Zeit, die im Zeichen der Unzufriedenheit steht.“
Er schnaufte ein paarmal und fuhr fort:
Merken Sie sich ein für allemal: Ihre Zufriedenheit und Ihre Heiterkeit sollen Sie für sich behalten. Sonst werden Sie als fauler Genießer, wie gesagt, und als Hanswurst verschrieen. Es gibt solche soger annten guten Kerle, die keine trüben Gesichter um sich sehen können und die dann ihre innere Heiterkeit in der Scheidemünze lustiger Gespräche ausgeben. Tun Sie das nie, es sei denn, Sie wollten Clown werden und Geld damit verdienen. Der Clown hat es erfaßt, sehen Sie. Er gilt aligemein im Privatleben als der trübseligste Geselle. Das ist er gar nicht. Nur ist seine Hetterkeit für ihn eine Ware, die er nur gegen bar absetzt. Da Sie vorläufig mit Ihrer guten Laune kein Geld verdienen wollen, so werfen Sie damit nicht um sich. Man weiß Ihnen keinen Dank dafür. Man hält Sie für einen Hanswurst. Für den Klügsten hält die Menge immer den, der am wenigsten redet.“
„Herr Grimberger, gestatten Sie mir eine Bemerkung. Sie sind nicht sehr konsequent. Einmal sagen Sie, meine Unzufriedenheit soll ich offen bekennen, um der Wahrheit die Ehre zu geben, das andremal verlangen Sie, ich soll mit meiner guten Laune hinter dem Berge halten. Wie reimt sich das?“
„Hm hm hm!“ machte er zörnig. „Wenn Sie es besser wissen, gut, so laufen Sie als Sybarit und Hofnarr Sr. Majestät Publikum herum, mir soll’s recht sein.“
Und schon stapfte er um die nächste Ecke.