Kururlich waren es zwei. Die Gendarmen sind nicht nur die Arme, sondern auch die Beine des Gesetzes. Auf einem Bein aber kann man nicht stehen. Darum gehen die Gendarmen immer zu zweit. Ein einzelner Gendarm sieht verwaist, verwitwet aus, verloren, steuerlos im Weltgetrieb, grade wie eine einzelne Nonne. Denn Nonnen gehen auch immer zu zweit aus. Ein einzelner Gendarm ist wie ein Handschuh, ein Stiefel, wie jener einbeinige Akrobat, den wir zuweilen auf der Schobermeß über Stühle springen sehen.
Also es waren einmal zwei Gendarmen. Die wollten etwas fürs Gefühl haben. Sie waren es müde, immer nach Verbrechern und Fahrraddieben zu fahnden und sie verlangten nach idealeren Genüssen.
Sie hatten gehört, bei Brosius werde eine neue Operette gespielt.
Wenn bei Brosius eine neue Operette gespielt wird, ist totsicher immer etwas fürs Gefühl dabei.
Diesmal hieß die Operette „L’ile du Tendre“, was man etwa mit „Die Insel der Verliebtheit“ übersetzen könnte. Auf ein rauhes Männerherz muß das unbedingt Eindruck machen. Die zwei Gendarmen fühlten sich demgemäß an jenem Abend zu Brosius hingezogen. Sie wußten, was dort geboten wurde, würde für ihre Herzen Ambrosia sein. Es hatte sich verbreitet, daß in einem Akt junge, gut gewachsene Personen des andern (schwachen) Geschlechts in größerer Anzahl und geringerem Kleideraufwand auftreten würden. Sie hätten, hieß es, noch weniger an, als die Damen bei Hofbällen zur Zeit des zweiten französischen Kaiserreichs. Zumal unten. Man könne sich bei ihrem Anblick ein durchaus genaues Urteil über ihren Charakter bilden.
Gendarmen sind auch Menschen. Sie haben Interesse nicht nur für Pferde, Teuerungszulagen und Verbrecher, sondern auch für den Charakter der Angehörigen eines Geschlechtes, das zu fünfzig Prozent für die Veredlung unserer Rasse verantwortlich ist.
Also gingen die zwei Gendarmen an jenem Abend zu Brosius.
Sie betraten den Saal zu einer Stunde, wo das eben angedeutete Schauspiel fällig war.
Wenn zwei Gendarmen einen Saal betreten, so verbreitet sich sofort eine Atmosphäre der Ordnung und Gesetzlichkeit. Heimliche Verbrecher, Leute, die ein schlechtes Gewissen haben oder vielleicht gar mit dem Gedanken umgehen, die Polizeistunde zu überschreiten, beginnen zu zittern, während die braven Bürger sich in ihrem Gehorsam gegen die Gesetze gestärkt und beschützt fühlen.
Als der Theaterdirektor bei Brosius zwischen den Kulissen hindurch die beiden Gendarmen erblickte, begann er zu zittern. Denn er gehörte zu den Leuten, die nie wissen, ob sie nicht im nächsten Augenblick ein Gesetz übertreten, sogar ohne es zu wollen.
Plötzlich wurde er sich der mangelhaft bekleideten Busen und Beine seiner Tänzerinnen bewußt.
„Um Gottes willen!“ dachte er. „In Luxemburg sind die Menschen derart tugendhaft, daß man nie wissen kann, wie weit sie Spaß verstehen. Diese beiden Gendarmen sind sonder Zweifel von der Staatsanwalischaft entsandt, um mit dem Zentimetermaß die nackte Hautobersläche meiner Truppe auszumessen und mich eventuell gefesselt über die Grenze zu schieben. Das darf nicht sein. He, Kinder, so dürft ihr in keinem Fall auftreten! Mimi, zieh deinen Mantel über, Bibi, nimm meinen Pelz, Toto, deinen Rock, Lolo, deine Spitzenhöschen, Nenette, deine Pelerine ..... rasch rasch .... veux-tu cacher ça!“
Und so kam es, daß die süßen Spukgeister der „Ile du Tendre“ an jenem Abend in dem unglaublichsten Aufzug auf die Bühne tanzten, und daß die zwei Gendarmen unserer Geschichte enttäuscht abziehen mußten.