Original

14. Dezember 1924

Unser Kamerad Franz Clement beginnt mit morgen in Paris eine neue (Laufbahn) als Mitarbeiter deutscher Blätter.

So leid es seinen Freunden tut, daß er aus ihrem Kreis verschwindet, so glücklich sind sie für ihn und mit ihm, daß er nun endlich den Wirkungskreis findet, von dem aus er das Stück Welt erobern kann, das ihm bestimmt ist.

Von diesem kann man wirklich einmal sagen, daß das Ländchen Luxemburg für ihn zu klein war. Zu klein als Boden, aus dem er seine Unterlagen gewinnen konnte und zu klein als aktives Wirkungsgebiet. Es wird sich fortan zeigen müssen, daß er in seiner Art unser Stärkster war, im relativ mühelosen Erfassen universalen und gründlichen Wissens, in dessen Verarbeitung und in der Tiefe, Wucht, Treff- und Stilsicherheit des Ausdrucks. Er hat Schwung und Rhythmus derer, die durch die Schule Rietzsche’s, durch das Fegefeuer seiner Seelenatmosphäre gegangen sind. Und er hatte das Glück, ein Luxemburger zu sein, auf der Scheide zu stehen, von der einer unbeirrt von rechts und links seine Ernten einsammelt.

Auch in Paris bleibt er zu seinem Glück zwischen den Rassen, wird nicht gezwungen, in einer davon aufzugehen, kann den zwischenvölkischen Intellekt weiterpflegen, den er bisher in idealer Weise verkörperte, und wird sicher auch in Zukunft ein guter Luxemburger bleiben.

Als blutjunger Landschullehrer von neunzehn Jahren, wo andere sich für Fußball, Tanzstunde, Skat oder drahtlose Telegraphie interessieren, hatte Franz Clement bereits eine Zeitschrift gegründet, deren suggestiver Titel „Der Morgen“ ihre Tendenz zur Genüge kennzeichnet. Er hatte rein auf dem Wege der Korrespondenz einen Münchener Verlag für das Unternehmen gewonnen, das leider sehr jung an der Zahlungsunfähigkeit des Verlegers einging. Zur selben Zeit hatte er „Die Grundlagen der deutschen Dichtung“ und „Betrachtungen eines Katholiken über die Bedingungen einer gesunden Weltliteratur“ herausgebracht. Es war um die Jahrhundertwende, wo in Deutschland, Italien und anderswo talentvolle katholische Schriftsteller gegen den Stachel löckten.

Aber Franz Clement war mit so köstlichem Eigensinn gesegnet, daß er es auf die Dauer in den Schranken irgendwelcher Kirche oder Schule nicht aushielt. So gelangte er in die Politik und merkte bald, daß die Partei nicht viel besser war, als die Schule. Er litt dauernd unter dem, was das Schicksal an ihm gesündigt hatte, an der Unwirtschaftlichkeit, mit der ihn das Leben verbrauchen zu wollen schien. Im Leben, wie in Geschäft, Industrie, Ackerbau ist es so, daß jede Kraft dort einzusetzen ist, wo sie den größten Nutzeffekt leistet. Franz Clement aber hat Jahrzehnte lang an Stellen wirken müssen, an denen er geistig vorrostet wäre, wenn das Edelmetall in ihm Rost ansetzen könnte.

Jetzt kommt er nach Paris in einen Wirkungskreis, der von ihm fordert, was er am besten kann, der nur das und ganz das fordert. Dort wird er das volle Maß seines Könnens geben können und seine Freunde freuen sich darauf mit ihm.

Sie sind zahlreich, auch unter denen, die für das Wissens- und geistige Interessengebiet Franz Clements kein Organ haben. Sie sind ihm zugetan, weil er eine Eigenschaft hat, die ihn unbedingt liebenswert macht: Er ist wahr, absolut, unbedingt wahr. Er sagt seinem besten Freund lieber eine Grobheit, als eine Unwahrheit. Über eine Grobheit, hinter der nicht die Überzeugung des Grobians steht, ärgert man sich, weil man daraus die Bosheit spürt. Wahre Grobheiten verletzen keinen klugen Menschen.

Dies klinge wie ein Nekrolog, meinen Sie? Es ist einer. Es ist der Nekrolog auf den alten Franz Clement. Der neue fängt jetzt sein Leben in Paris an, und wenn das Schicksal an dem neuen gut macht, was es an dem alten gefehlt hat, werden wir stolz sein, daß Franz Clement einer von uns ist, aus dem besten Stoff unserer luxemburger Rasse.

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