Es ist an der Zeit, daß ich meinen gerechten Ärger wieder einmal in Ihre Spalten ablade.
Ich war dieser Tage durch Zufall auf einen Ball geraten. Ich gehe aus Prinzip nie auf Bälle. Ich finde die Schwitzbäder in der Badeanstalt billiger und bequemer. Ich bin auch jetzt nicht bekehrt worden. Ich sah Hunderte von Menschen beiderlei Geschlechts in fürchterlichem Gedränge eine Arbeit verrichten, für die sie schweres Geld bezahlen mußten. Ich sah hübsche junge Damen häßliche Bewegungen mit schönen Beinen ausführen. Besonders wenn sie rückwärts gehen - oder tanzen, wie Sie es nennen wollen. Sie stoßen sich rückwärts mit den Fußspitzen ab, die sie dabei einwärts kehren, wodurch sie ihrem Untergestell etwas krummbeinig Gänselieselhastes verleihen. Man merkt, daß sie diese Rückwärtsbewegung nicht vorm Spiegel einstudieren konnten. Bei den Herren ist es vielleicht grade so, aber da ist es egal, wie sie aussehen.
Dann wäre noch ein Wort von diesem und jenem zu sagen, was ich mir für heute verkneisen will.
Eigentlich wollte ich zu einem Vorfall kommen, der in seiner Winzigkeit das Weltbild oder doch ein Stück davon spiegelt.
Ich sah zwei junge Leute, die sich wegen einer Dame entzweit hatten. Natürlich. Immer die verdammten Weiber. Die beiden Streithähne schienen mir in der edeln Kunst der Selbstverteidigung, wie die Engländer das Boxen nennen, einigen Unterricht genossen zu haben, der eine wenigstens „konnt es zwar noch nicht ordentlich blasen, doch blies er es schon einigermaßen“. Er faßte seinen Gegner mit mordgierigen Blicken ins Auge und setzte seine rechte Faust in heftige Bewegung auf die Kinnlade des Feindes zu. In einer weniger vornehmen Gesellschaft hätte man vom Beginn einer Prügelei gesprochen.
Der Feind nahm sofort die Stellung ein, die im Box-Unterricht für solche Eventualitäten vorgesehen ist, aber seine Kameraden stürzten sich auf ihn, so viel um ihn herum Platz fanden, und hielten ihn fest. Sogar Damen legten mit Hand an, um ihn daran zu verhindern, daß er seinen Angreifer den Hühnern hinkrümelte. Dieser aber stand in der billigen Heldenpose eines Torero, der da weiß, daß der Stier angebunden ist.
Allmählich kochte der Zorn herunter, alle beruhigten sich, setzten sich um einen Tisch und fügten sich brüderlich dem Weinzwang des Wirtes.
Ich muß sagen, ich finde dies Verfahren durchaus nicht in Ordnung. Die Freunde des Angegriffenen haben an ihm ein offenbares Unrecht begangen, indem sie es ihm unmöglich machten, den Stoß zurückzugeben. Einmal hin, einmal her - dann war es immer noch Zeit, einzuschreiten und weiteres Blutvergießen zu verhindern. Ein Schlag, den man nicht zurückgeben kann, ist unverdaulicher, als Hummermayonnaise mit Kirschen, Dickmilch und Bier um Mitternacht. Das nächste Mal, wo sich die beiden in der Großstraße begegnen, bekommt der erste totsicher seine Quittung. Und was ist dabei gewonnen?
Also bevor die Ruhestifter oder Schiedsrichter eingreifen, muß das Konto zwischen den Parteien glatt gemacht sein, sonst ist keine Gerechtigkeit. Ich gebe zu, daß es ein erhebendes Gefühl ist, wenn man sich sagen darf: Du hast jetzt als Friedensengel gewirkt, dir ist es zu danken, daß die Welt wieder einmal nicht in Flammen aufgegangen ist. Aber ich kann mir nicht helfen, mein Gerechtigkeitsgefühl war verletzt und ich warte gespannt auf den Ausgleich.
Hochachtungsvoll! Grimberger.