Im August und September dieses Jahres erschien im Feuilleton der Obermoselzeitung „Auf der Wasserscheide, ein Roman von der Luxemburger Erde“, von J. K.
Es war keiner von den Romanen, die von einer Fortsetzung zur andern vom Leser und zumal von der Leserin gierig verschlungen werden. Es war die still hingewobene, besinnliche Schönheit eines alltäglichen Geschehens, das ein Verstehender mit seiner Güte und Liebe verklärt. Der Roman wäre verschollen, denn die wenigsten wohl hatten ihn zu Ende gelesen. Es war die Zeit im Jahr, wo uns Feste und Ferien in alle Windrichtungen zerstreuen. Dem Verlag Paul Faber in Grevenmacher danken alle Freunde heimischen Schristtums dafür, daß er das Werk jetzt in würdiger Form herausgebracht und daran einen bodenständigen Künstler mit kräftiger Eigenart, wie Nico Klopp, mit einer Anzahl seiner hübschen Holzschnitte beteiligt hat.
Auf dem Band steht nun auch der Name des Verfassers: Jacques Kintzelé.
Wer kannte und kennt ihn? Er tritt mit einmmal aus der namenlosen Menge unter uns, mit tiesem, ureigenem Wesensklang. Wer weiß, wie er geworden ist? Eins verrät jedenfalls sein Buch, daß er am Herzen der Heimaterde gewachsen sein und leben muß.
Der Roman schließt mit dem weihevollen Wunsch: „..... daß der Glaube an dich, mütterliche Erde, nicht wankend werde in denen, die dich lieben!“
Also auf den Glauben und auf die Liebe kommt es ihm an. Die sind in ihm und wirken aus ihm mit Apostelsinn, mit den Herzenstönen, die überzeugen und hinnehmen. Das Buch enthält Seiten und Sätze, wie sie über unsere Heimaterde so sonntäglich feierlich, mit so wahrer Andacht wohl noch keiner geschrieben hat. Dieser hat den Rhythmus der Inbrunst, die die ganze Atmosphäre mit ihren Schwingungen und ihrer Wärme füllt und er findet Bilder von so überraschend dichterischer und realistischer Kraft, daß man sofort weiß: Er trinkt an den Quellen. Lesen Sie Sätze wie diese: „Nur die kleine Pendüle auf ihrem erhabenen Stand pickte eilig, eilig, die Stille mit ihrem feinen Stimmchen wie mit einem silbernen Schnäblein zersplitternd.“ Oder: „Von Norden nach Süden spannte sich silbrig die Milchstraße, trug den Gesichtskreis der dunkeln Erde wie eine riesige Schale an silbernem Henkel.“
Das Buch hat zwei Eigenschaften, die sich in Werken von Luxemburgern leider zu selten zusammen finden! Inneren Persönlichkeitswert und äußeren Stil. Es ist naturnotwendig geboren aus einem Temperament, einem Herzen, das so viel von Eigenem zu geben hatte, daß es davon überfloß.
Es dauert ziemlich lange, bis die dramatischen Geschehnisse einsetzen, für die die bäurische Umwelt Hintergrund ist. Trotzdem erlahmt das Interesse nicht eine Sekunde lang, weil vom ersten Satz an Menschen und Dinge einen mit werbenden Blicken, lebendigen Stimmen antreten, weil sich unter einem körperlich spürbar die Heimaterde breitet und hebt mit ihrem Zauber und Duft, ihrem Rauschen und Raunen, ihrer Süße und Unheimlichkeit, weil ein Leben ohne Ende um einen blüht und gärt, weil jeder Satz aus der Wärme und Frische einer jungfräulich unverbrauchten Individualität entspringt, liebevoll geformt wie die handgetriebenen Schmuckstücke alter Goldschmiedemeister.
Nicht immer ist die Sprache frei von leichten Schlacken, die aus der Gesetzlosigkeit unserer Mundart hineinfließen, auch ist das Mechanische der Handlung nur unvollkommen gemeistert, zu ungleich durch den ganzen Stoff hin verwoben, die Düsterkeit der Bauerntragik aus Geld, Liebe, Totschlag und Geheimnis. Schuld und Sühne fällt manchmal in ihrer derben Herkömmlichkeit ab gegen das psychologische Niveau der übrigen Teile und stört stellenweise den schönen Schwung, aber darüber kommt man weg. Das Buch entläßt einen mit dem ungetrübten Eindruck, daß hier ein Stück der luxemburger Seele und Landschaft mit einfühlender Liebe und seltener Unmittelbarkeit gestaltet ist.
Und eine Tendenz hat es auch. Es ist ein Buch gegen die Landflucht. Es deckt die Öde der Großstadt auf und sagt die Wahrheit über das Leben da draußen in einer Weise, daß man sich darnach sehnen muß. In diesem Sinn ist es eine Wohltat für unser Volk und der Verein „Landwuel“ sollte dafür sorgen, daß er in jeder Bauernstube im Wandschrank stünde.