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24. Dezember 1924

In der letzten Nummer der belgischen „Illustration“ schreibt Herr Camille Joset in einem Artikel zur Einweihung des Soldaten-Mausoleums auf dem Liebfrauenkirchhof:

„L’accomplissement d’une mission spéciale nous amena, à travers les lignes des soudards prussiens, bavarois et saxons, au début de l’après-midi à Luxembourg. On y ignorait encore alors l’outrageant ultimatum adressé à la Belgique par la Kaiser, et la fière réponse que notre Roi lui avait opposée. Comme une traînée de poudre, la nouvelle que nous apportions et les précisions que nous en pouvions donner se répandirent à travers la ville, dans tous les milieux et jusqu’au Parlement. Quelle explosion d’enthousiasme partout, quelle acclamation unanime en l’honneur de notre pays! A cette heure, les Luxembourgeois communiaient fervemment avec les Belges dans un même sentiment de grandeur et de noblesse, de pur idéal et d’esprit de sacrifice.“

Wir hatten in der „Zeitung“ die Brüsseler Meldung von dem deutschen Ultimatum erhalten, nachdem die Kunde sich schon gerüchtweise in der Stadt verbreitet hatte. Ein Luxemburger, der Montags, am Tage nach dem Einfall der Deutschen in Arlon weilte, hatte aus Kleinbettingen die Meldung übermittelt, die aus Brüssel in Arlon eingetroffen war und hier später offiziell bestätigt wurde. („Luxemburger Zeitung“, Morgenausgabe, Dienstag, 4. Aug.)

Ich zeigte Staatsminister Eyschen in der Kammer unser Telegramm. Er wußte noch nichts Bestimmtes, hatte aber zweifellos das Schlimmste befürchtet, nach allem, was uns der 2. August gebracht hatte. Die Aufregungen der letzten vierundzwanzig Stunden hatten ihn arg mitgenommen, er sah blaß und abgespannt, aber sehr behetrscht aus. Die Bestätigung seinet Befürchtungen traf ihn wie ein Blitz - allerdings nicht aus heiterem Himmel, denn der Himmel war voll schwarzer Gewitterwolken - aber er schien doch eine Sekunde lang unter dem Schlag zusammenzubrechen. Er gab sich den Anschein, nicht an das Ungeheuerliche glauben zu wollen.

Aus Tagebuchaufzeichnungen über diese historische Kammersttzung vom Montag, 3. August, seien einige Einzelheiten mitgeteilt, die unangenehme Erinnerungen auffrischen:

„Polizeikommissar Ettinger und Bürgermeister Daubenfeld von Hollerich waren in der Kammer und erzählten, vom Schlachthof bis zum Geißknäppchen seien Schanzgräben“ (das Wort Schützengräben wurde uns erst später geläufig) „aufgeworfen und Kanonen eingegraben, Offiziere hätten ihnen gesagt, für Merl und die Häuser, die in der Feuerlinie liegen, werde die Sache brenzlich, wenn es zu einem Artilleriekampf komme. Im Hause Lakaff an der Windmühle, das durch Matratzen und Sandsäcke geschützt sei, habe sich der Stab des kommandierenden Generals eingerichtet, man erwarte für nächsten Morgen ein Treffen mit den Franzosen, die von Longwy her über Dippach anrücken zu wollen schienen.“

Wir finden hier dieselbe Fiktion wieder, mit der damals sogar offiziell deutscherseits der Einbruch in unser Gebiet gerechtfertigt wurde, nämlich, daß unser Land von Franzosen dicht besetzt sei. Die Ereignisse haben auf eklatante Weise dargetan, daß diese Fiktion auf purer Einbildung, wenn nicht Erfindung beruhte.

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KatalognummerBW-AK-012-2801