Ein Bekannter schickt mir aus Amerika die letzte Nummer des Mid-Week Pictorial, die, wie immer, eine Menge interessanter Bilder enthält. Darunter sind zwei, über die sich allerhand sagen läßt.
Das erste stellt drei Bankbeamtinnen dar, die in liegender Stellung hinter Tischen, Stühlen und Kasten hervor mit Revolvern auf eine Mannsscheibe zielen. Darunter steht zu lesen, daß die Cleveland (Ohio) Trust Company 15 000 Dollar bereitgestellt hat, um ihre Angestellten im Schießen auf eventuelle Bankräuber auszubilden.
Die drei Schützinnen sind ganz nette Käfer. Die Cleveland (Ohio) Trust Company hat natürlich dem Photographen keine Vogelscheuchen zur Verfügung stellen wollen. Aber sie hat sicher nicht bedacht, welche Wirkung das Bild auf Bankräuberkandidaten ausüben kann. Auch unter den amerikanischen Bankräubern kann es romantische, liebebedürftige Rinaldini-Naturen geben. Ein solcher junger Mann wird sich den Teufel drum scheren, ob ein hübsches Mädchen mit einem Revolver auf ihn zielt, für ihn liegt eher ein pikanter Reiz darin, daß er von zarter Hand durch die Schulter geschossen werden kann, und daß ihn dabei zwei blaue Augen mit süßen, erschrockenen Blicken um Verzeihung anflehen werden. Es ist immerhin bezeichnend für die amerikanische Fortgeschrittenheit, daß sie drüben die Frauen schon im Schießen auf den Mann ausbilden.
Das zweite Bild ist eine Aufnahme aus Atlanta, Georgia. Dort, im milden Süden, find sie schon sanfter gestimmt. All is Peaches down in Georgia. Man sieht einen Policeman, der mit einem pistolenartigen Ding bewaffnet ist. Der Lauf ist ein richtiger, langer Pistolenlauf, an dem hinten statt des Kolbens ein Gummibalg sitzt. Der Balg enthält ein betäubendes Gas. Taucht vor dem Polizisten ein Missetäter drohend auf, so bläst er ihm eine Ladung Gas in die Nase und hinsinkt der Missetäter - wenn nicht dieser zuerst geblasen hat. In dem Fall ist es am Polizisten, hinzusinken.
Ist aber der Verlauf so, wie es alle ordnungliebenden Bürger wünschen, so wird, wie gesagt, der Missetäter betäubt. Während seiner Betäubung macht man ihn ungefährlich, indem man ihm die Waffen, Handgranaten, Dolch, Totschläger, Dietriche, Hausschlüssel usw. abnimmt.
Dann transportiert man ihn ab und gibt ihn zu einer Kompagnie der Heilsarmee in Behandlung. So wird er wieder zu einem nützlichen Glied der Gesellschaft oder andrerseits vielleicht sogar selber zum Policeman.
Warum sind sie in Cleveland nicht so weitherzig, wie in Atlanta? Warum geben sie den hübschen Bank-Girls statt des männermordenden Browning nicht auch eine solche Gasspritze in die zarten Hände? Da läge die Möglichkeit, binnen kurzer Zeit alle Bankräuber aus der Welt zu schaffen. Drei Desperados brechen in die Bank ein mit Hands up! Drei junge, hübsche Mädchen strecken sie mit Gaspistolen hin. Sie werden wach, sehen ihre Gegnerinnen tränenden Auges und voll Mitleid über sich gebeugt, gehen in sich, werden zu ordentlichen Menschen, heiraten ihre Retterinnen und werden die Väter und Großväter einer zahlreichen Nachkommenschaft, aus der vielleicht eines Tages der Präsident der Vereinigten Staaten hervorgehen wird.
Nach diesen Dreien kommen drei andre, denen es ebenso ergehen wird, dann wieder drei, jeden Montag morgen drei, bis auf einmal im ganzen Staat Ohio kein Bankräuber mehr zu finden sein wird. Mit Totschießen hätte es viel, viel länger gedauert.
Man muß sich überhaupt wundern, daß nach dem Krieg der Gebrauch des Gases als Waffe nicht weiter um sich gegriffen hat. Es wird wohl so sein, daß sie die Mord-Technik auf Grund der im Krieg gemachten Ersahrungen heimlich ausbauen. Aber mit dem Gas könnten sie eine Ausnahme machen. Dann bräuchte man, um jemand unschädlich zu machen, nicht gleich mit dem Revolver auf ihn zu schießen.
Dies ist keine böswillige Anspielung auf die Eisenbahndebatte.