Würden Sie jemand glauben, der Ihnen versicherte, es gebe ein Lebewesen, das wir lieben, streicheln, hätscheln, unter Umständen umarmen und küssen, das wir in unser Haus, auf unsern Schoß, ja nicht selten in unser Bett nehmen, bei dessen Tod wir manchmal Tränen vergießen, über das wir wegen seiner hohen Tugenden Bücher schreiben, das bei Mann und Frau, Kind und Greis, arm und reich, hoch und nieder gleich beliebt ist, dessen Schönheit Kenner buchstäblich begeistern kann, das wir als Ausbund alles Liebesund Achtenswerten preisen, und das wir dann in einem Atem als Inbegriff aller Verächtlichkeit nennen, nach dem wir spucken und mit Füßen treten, mit dessen Namen wir einem verhaßten Feind den blutigsten Schimpf antun?
Dies Wesen gibt es.
Es ist der Hund.
Das Menschenherz wird anscheinend zum Rätsel, wenn man es in seinen Gefühlen für und wider den Hund betrachtet.
Schon als Kinder lasen wir Geschichten von Hunden, die ihren Herren das Leben retteten, kleine Mädchen und Buben aus dem Wasser zogen, Bösewichter stellten, vom Grabe ihrer Herrin nicht wichen und sich darauf verhungern ließen - aber auch Geschichten, in denen Lumpenkerle Hunde geschimpft wurden, oder in denen treue Hunde von ihren Herren erschossen wurden und mit einer traurigen Frage im Blick die Kugel zwischen ihre großen, klaren, arglosen Augen empfingen: Herr, warum tust du das?
Der Jäger mit seinem Caro, der Bauer mit seinem Phylax, die Pfarrersköchin mit ihrem Fifi, die Weltdame mit ihrem Ting-a-ling, dem chinesischen Hündchen, das vor lauter Häßlichkeit schön ist, der Metzger, der Polizist, die Milchfrau, der Kesselflicker, der Nordpolfahrer usw. usw., alle finden den Hund unentbehrlich und sagen jedem, der es hören will, daß der Hund das treueste, dankbarste, anhänglichste, bestorganisierte Tier ist, das je in einer Arche Roah eine Sintflut überlebt hat. Und doch, wenn sie in der nächsten Minute einen recht von oben bis unten mit Schimpf besudeln wollen, sagen sie: Der Hund! Du Hund!
Wenn wir der Erscheinung auf den Grund gehen, gereicht sie uns noch lange nicht zur Ehre. Wir empfinden, daß wir dem Hund Dank schulden, aber es liegt in uns, daß wir keine Schuld so lästig empfinden, wie Dankesschuld. Vielleicht nur, weil wir in vielen Fällen nicht wissen, wie wir sie abtragen sollen oder ob sie jemals ganz getilgt werden kann, sicher aber auch deshalb, weil das Gefühl des Dankes uns vermeintlich in eine Art Inferiorität versetzt.
Der Hund ist ein Gläubiger, der niemals mahnt. Weil er selber sich nur als den Beschenkten sieht. Das ist sein Fehler. Da liegt die doppelte Quelle des Unrechts, das wir an ihm begehen. Erstens geben wir dem beschämenden Gefühl des Dankes freien Lauf und lassen unsern Unwillen über die Dankesschuld an dem harmlosen Gläubiger aus. Und zweitens verachten wir ihn, den Hund, noch obendrein, weil er die Tugend des Dankes übt, die wir uns selber immer gründlicher wegtrainieren wollen, je mehr wir auf Rechte pochen, wo wir sonst nur gutwillige Zugeständnisse sahen.
Wahrhaftig, wenn die Hunde dächten und redeten, wie wir, der Name Mensch wäre in ihrem Mund ein viel ärgeres Schimpfwort, als Hund in unserm.