Gestern gaben wir in Medernach dem Vater Arend das letzte Geleit.
Er wurde unter den Klängen der Lieder, die er selber Zeit seines Lebens an manchem Grabe mitgesungen hat, in die Heimaterde gesenkt, der er von seinen Knabenjahren an so viele Saaten anvertraut hatte und der er mit seinem ganzen Wesen entsprungen und treu geblieben war.
„Il repose à l’ombre du clocher qui l’a vu naître,“ sagte vor langen Jahren Charles Simons auf dem Grabe seines Freundes Adolf Fischer von Cessingen.
Solche Bodenständigkeit ist ein Ruhm, und er gebürt, wenn je einem, dem trefflichen Menschen, der nun, in Rufweite von seinem Elternhaus, den ewigen Schlaf schläft.
Johann Arend war am 12. August 1850 in Medernach geboren, dem malerischen Dorf, durch das noch Quellenrauschen geht und aus behäbigen Gründen steile Straßen zwischen lieben alten Häuschen sich bergan schlängeln. Der Turm, aus dem drei Viertel Jahrhunderte lang dem Toten seine Heimatglocken in die Stube und über die Äcker und Wiesen klangen, sieht steil von seiner Höhe herunter in die Fenster, hinter denen Geschlechter desselben Namens geboren wurden, lebten und starben und weiter leben.
Johann Arend war so, wie man wünschen müßte, daß alle seiner Art wären: Klug und fröhlich, besonnen und gesellig, gläubig und duldsam, an der Scholle mit Liebe hängend, nicht an sie gebunden, ihr Sohn und Freund, nicht ihr Sklave.
Er war wie ein lebendes Symbol des Wurzelstockes, aus dem die gesunde Nachfolge emporwächst und das Volksganze mit Kraft und Auftrieb füllt.
Wo seine starken Hände am Pflug lagen, da liegen heute andere, starke Hände, die seines Fleisches und Blutes sind und, wie er, in Treue und Zuversicht die Erde fruchtbar machen zum gemeinen Wohl.
Aber aus seinem Blut und seinem Geist und seinem reichen Gemüt sind auch in andere Weiten Schwingungen ausgesandt, in denen zum Wohl des Ganzen die besten Eigenschaften unserer Rasse sich auswirken.
Es war eine der schönen und seltenen Totenfeiern, bei denen in gradezu rührender Weise zutage tritt, wie die Kraftreserve unseres Volkes die beiden großen Gebiete der nationalen Werteschöpfung, Landwirtschaft und Industrie, mit führenden Leuten versorgt.
Aus der weiten Umgegend, wo die Tausende erdgebunden schaffen, die den Toten einen ihrer Weisesten und Treuesten nannten, an dieselbe Arbeit gewöhnt und an derselben Arbeit erstarkt, wie er - und aus den Bezirken, wo die Schlote rauchen und Maschinen bröhnen und wo die Generalstäbe der Industrie tagtäglich auf dem Felde der Weltkonjunktur ihre Schlachten zu schlagen haben - von allen Seiten waren sie gekommen, um den Toten zu ehren und in ihm die Söhne, in denen er zwiefach und in gesteigerter Entfaltung weiterlebt.
Über dem Chor der Kirche in Medernach steht als lateinisches Chronogramm der Spruch: Hier löse deine Schuhe, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land.
Hier, im heiligen Land der Ewigkeit, hat der Geschiedene, der alt war, ohne ein Greis zu sein, die erdenschweren Schuhe lösen dürfen, in denen er festen Schrittes und frohgemut zeitlebens in der Furche seiner Pflicht geschritten war. Und bevor er scheiden mußte, war es die Verklärung seines Alters, daß Enkelkinder seines Namens um ihn spielten, und daß er erlebte, wie im Schicksal seines Ältesten der weite Kreis eines arbeit- und erfolgreichen Lebens doch wieder nach der Heimat und der großväterlichen Scholle in tiefwurzelnder Anhänglichkeit zurückführt.