Original

25. Januar 1925

Ich kenne einen Weidmann, der es nicht als seine Hauptsendung betrachtet, möglichst viele Tiere des Waldes und Feldes zu töten, insofern ihr Fleisch mehr oder weniger eßbar ist. Er sieht im Freien auch ein bißchen um sich herum und paßt auf das tausendfältige Leben und Sterben auf, das im Wald seinen ewigen Kreislauf vollzieht.

Dieser schreibt mir, daß er am 20. Januar, also vor fünf Tagen, im Wald von Grevenmacher blühenden Seidelbast angetroffen hat, und daß seit dreißig Jahren nie so früh irgendwelche Blüten im Wald zu finden waren. Der milde Winter, meint er weiter, sei zu erwarten gewesen, denn noch gegen Weihnachten habe er ziemlich viel Schnepfen geschossen, von denen zurzeit noch zahlreiche im Land hospitieren. Das sei das beste Zeichen dafür, daß keine starken Fröste zu erwarten sind, sonst hätte die Schnepfe, ihrem Instinkt folgend, wärmere Breitegrade aufgesucht, denn, wenn der Boden friert, ist ihr die Vorratskammer mit Würmern und allerhand Larven verschlossen.

Seidelbast und Schnepfen - es wird einem dabei ganz österlich ums Herz. Man denkt an die Vorfrühlingstage, an denen man in den Grünewald zog, die ersten Seidelbastzweige zu brechen.

Jolibois heißt dieser Frühlingsbote auf französisch. Der Name klingt so lenzhaft süß, wie die Pflanze aussieht. Seidene Rinde bedeutet der deutsche Rame. Und wie ein straff gezogener heller seidener Strumpf glänzen matt die schlanken Stiele, die die rosa Dolden tragen. Die hübschen Dolden, die so betäubend riechen - die Giftblüten. Daß Giftblüten immer so schön sein müssen!

Österliches Schnepfentier, du bist nicht @ doch bist du auch hübsch, so hübsch, daß je@ bei deinem Anblick das Herz im Leibe la@ nicht ohne Rührung an dich denkt, wie du mit @ dem Köpfchen und brechenden Augen in sei@ liegst, noch warm, nachdem sein Blei dich @ Flugbahn heruntergeholt hat. Nicht ohne @ und nicht ohne Stolz.

Wie läuten schon die Osterglocken aus de@ schen Festnamen, aus denen der Schnepfe@ zusammengesetzt ist: Oculi, Laetare, Judic@ rum. Diesen Schnepfenkalender hat ganz @ alter Landpastor gedichtet, der mit Großb@ Schloßherren auf die Jagd ging, wie seine@ würden der Herr Pfarrer von Ell, den @ auf den Wänden von Schloß Colpach mit de@ de Marche zusammen verewigt hat.

Ein anderer Freund und Weidmann hat @ immer zugeredet, daß ich einmal mit ihm de@ in den Leudelinger Grund auf den Schnepfe@ Schlachtenbummler mitgehen soll. Er macht @ klärtes Genießergesicht, wenn er beschreibt, @ ganz einsam in der Abendstille steht, @ herum von den Dörfern der Hall der A@ herüberschwimmt, wie er sie alle am Ton @ die letzte mit dem letzten Vogellaut verstu@ wie dann plötzlich in das andächtige Schwei@ das ersehnte Quarren laut wird, blitzsch@ kommt, das Herz rascher klopft, das aufre@ lebnis sich in drei Sekunden zusammendrän@ Schnepfe, der Knall - Junge, das mußt @ miterleben!

Ist es recht, daß man zwei Monate im voraus Seidelbast und Schnepfen und Osterglocken?

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    Katalognummer BW-AK-013-2825