Lange war ich der Meinung, die weitest verbreitete Familie unseres Landes sei die Familie Mmmng - eine Seitenlinie schreibt korrupt Mmmnch - und die Familie, die darnach die zahlreichsten Vertreter aufweise, sei die Familie Stmmn.
In unserm Einlauf befinden sich sozusagen jeden Tag Briefe mit der Unterschrift Mmmng - oder Mmmnch - und Stmmn. Erst gestern schickte mir ein Herr D. Mmmnch ein Blümchen, das er auf einem Spaziergang gepflückt hatte und das neben dem Seidelbast und den Schnepfen als Frühlingsbote paradieren sollte. Und vorige Woche schrieb mir eine Frau Stmmn, sie wisse jetzt ganz bestimmt, daß ich die Vaubankaserne angesteckt hatte und bei dem Einbruch im Juwelierladen Herzig-Kaempff in der Großstraße beteiligt war, und sie werde das Weitere veranlassen.
Ich benutze den Anlaß, beiden hiermit meinen herzlichen Dank abzustatten.
Ich habe wiederholt in dem Werk von Professor Müller „die luxemburgischen Familiennamen“ nachgeschlagen, aber sonderbarerweise nirgends diese Namen Mmmng, Mmmnch und Stmmn gefunden.
Bis mir schließlich der Gedanke kam, es könne sich am Ende um eine undeutliche Schreibweise handeln.
Das wäre doch grotesk, meinen Sie nicht auch? Es würde voraussetzen, daß jemand einen ganzen Brief von eventuell vier Seiten klar und deutlich, ja kalligraphisch schriebe und am Schluß, wo er seine Unterschrift hinsetzt, die für ihn selber steht, seine Feder in einen Veitstanz verfallen ließe. Doch, wahrhaftig, es gibt solche Briefe - es gab sie massenhaft, als die Schreibmaschine noch nicht allgemein im Gebrauch war - Briefe, die schön sauber wie gestochen waren und unter denen eine Unterschrift stand, die ein Spottgebilde aus Grund- und Haarstrichen darstellte, oft begleitet von Kreis- und Zickzacklinien, die wie hingetanzt waren von einer verrückt gewordenen Feder. Es war unmöglich, das Geheimnis dieser Hieroglyphen zu entziffern.
Aber leider scheint auch heute noch die Auffassung zu bestehen, daß jeder, der auf Bildung Anspruch erhebt, sich eine originelle Unterschrift zurechtmachen müsse, die in ihrer knifflichen Eigenart von keinem Fälscher nachgeahmt werden könne. Diese Unterschrift soll eine Art Rigoletto sein, mit krummen Beinen und einem Höcker, oder sie soll einem Kopf ohne Körper oder einem Rumpf ohne Kopf und Glieder gleichen, der wie ein Kreisel in einem Wirbel von Federstrichen dreht. Aus der Unterschrift soll die Persönlichkeit des Unterschreibers herausleuchten. Und gewöhnlich ist es so, daß die Leute, die am wenigsten Persönlichkeit haben, mit dem reichsten Schnörkelschmuck ihren Namen umranken.
Es gibt ja Fälle, wo ein Name an und für sich nicht leserlich zu sein braucht, weil aus dem Brief die Identität des Schreibers hervorgeht. Aber jeder, der überhaupt in den Fall kommt, Briese zu schreiben, sollte sich sagen, daß die Leserlichkeit der Unterschrift manchmal notwendig und immer eine Höflichkeit gegen den Empfänger ist. Wenn ich mich jemand vorstelle, von dem ich wünsche, daß wir uns kennen lernen, so sage ich auch nicht: Mein Name ist Wöwöwöwöwöh, sondern ich bemühe mich, ihn recht deutlich auszusprechen, ohne falsche Scham, die immer doch nur umgestandene Einbildung ist.
Sie werden finden, daß Sie im Leben am glattesten immer mit den Leuten zurecht kommen, die ihren Namen einfach und leserlich schreiben.