Die letzte Nummer der „Luxemburger Illustrierten“ ist besonders reichhaltig und interessant und weist auch in der technischen Herstellung Fortschritte auf. Das neue Blatt fuut unbedingt eine Lücke aus und verdient allgemeine Verbreitung.
Ein Bild enthält indes diese Nummer, bei dessen Anblick einen tiefes Mitleid und Erstaunen erfassen muß. Es ist das Porträt des Herrn Tony Kellen, des durch seine erstaunliche Vielseitigkeit bekannten luxemburger Schriftstellers, der zurzeit in Stuttgart als literarischer Redakteur tätig ist und in jüngster Zeit wiederholt Radiovorträge gehalten hat, die auch in Luxemburg vernehmbar waren.
Nie hätte man annehmen können, daß die Beschäftigung mit dem Nundfunk einen Menschen derart entstellen, sein Gesicht in der Charakteristik der Züge so von Grund aus verändern könnte.
Als wir das letzte Mal Gelegenheit hatten, Herrn Tony Kellen in Luxemburg zu sehen, war er derselbe, als den ihn seine Freunde vor dreißig und mehr Jahren kannten. Er hatte sein freundlich gutmütiges Gesicht mit den großen, klaren, braunen Augen, die ein wenig müde blickten, wie es oft die Augen eines Bücherwurmes tun. Kein Zug von Strenge, Härte, Mißgunst, Boshaftigkeit in diesem Gesicht. Wie mildes Mondlicht lag es darüber.
Und nun! Was hat der Nundfunk daraus gemacht! Blutiger Nordlichtschein entspritzt diesen Augen. Das ist ein Mann, der den Beschauer spitz anschnüffelt und sagt: Was riecht hier so brenzlich? In der Stirn stehen böse Falten, die Nasenwurzel ist wie ein Mittelpunkt von dem sternförmig solche Falten ausgehen, die Stirn hinauf, über die Augen weg, an den Nasenflügeln hinunter, Falten und Fältchen, griesgrämig gespannt, wie die Laune eines Hämorrhoidariers Das Gesicht gleicht dem eines zornigsorgenvoll verbitterten Katers.
Und diese Augen! Armer Tony Kellen, was haben sie Dir getan, daß Du diese Augen bekommen hast! Wie giftige Dolche stechen sie hinter der Brille heraus, übelwollend, pedantisch, jähzornig: Du, Müller, da hinten in der linken Bank, du schreibst mir dreihundert Mal: Ich bin ein Rhinozeros!
Nein, das ist nie und nimmer Herr Tony Kellen. Die zuständige Stelle bei der „Illustrierten“ hat sich im Schubsach vergriffen und statt- unseres rundfunkenden Landsmanns irgendeinen Trotzky erwischt, irgendeinen unentwegten Kathederrevolutionär, der die Welt erhobenen Zeigefingers mit Lot und Lineal und Maschinengewehr verbessern will.
Nun hoffen wir, daß die „Illustrierte“ das nächste Mal das Bild des wirklichen Tony Kellen nachtragen und uns sagen wird, wer der ungnädige Herr war, der uns als literarischer Landsmann vorgespiegelt wurde.