Lieber Herr Rene Blum! Alle Luxemburger wissen Ihnen Dank dafür, daß Sie sich am Samstag im Gemeinderat für die Verschönerung der Stadt eingesetzt haben. Sie sagten, daß Ihnen nicht nur die verwahrloste Ecke Niklaus- und Regierungsstraße ein Dorn im Auge ist, sondern daß es Ihnen jedesmal einen Stich ins Herz gibt, wenn Sie ihrer auf Ihrem Weg von und zur Kammer ansichtig werden. Ja sogar von einer schimpflichen Verunzierung der Umgebung des Schlosses sprachen Sie und legten damit für das Herrscherhaus eine zarte Rücksicht an den Tag, die für einen überzeugren Republikaner alles Mögliche ist.
Aber mein lieber Herr Nené Blum, wenn Sie glauben, daß Sie durch solche Flucht in die Öffentlichkeit etwas erreichen werden, so gestatten Sie mir, Ihnen aus einer nach Dezennien zählenden Erfahrung heraus zu versichern, daß Sie auf dem Holzweg sind. Mit Interpellationen und Zeitungsartikeln ist bei einer Verwaltung nichts auszurichten. Denn nicht wahr, wenn die Verwaltung einen öffentlich erteilten Rat befolgte, so gäbe sie damit zu, daß sie nicht von selbst auf eine gute Idee gekommen ist, und das darf sie ihres Prestiges willen nicht. Sie ist dafür bezahlt, alle guten Einfälle zuerst zu haben. Also wenn Sie wieder etwas erreichen wollen, so richten Sie es so ein, daß Sie hinten herum Ihren Wunsch der Verwaltung suggerieren und sie glauben machen, sie sei höchstselbst auf die Idee gekommen. Dann vergibt sie sich nichts, wenn sie sie ausführt.
Sie haben natürlich tausendmal recht mit Ihrem Vorschlag, an jener Ecke ein Gärtchen anzulegen, es mit einem billigen Geländer einzufassen und die Giebelmauer dahinter sauber zu tünchen. Das ließe sich mit ein paar Hundert Franken bewerkstelligen. Der Parkgärtner wäre heilfroh, an dieser Stelle eine Probe seiner Kunst abzulegen, das Gärtchen hätten wir also gratis. Das Tünchen der Mauer wäre auch nicht mit erschütternd hohen Kosten verbunden, und es ist zehn gegen eins zu wetten, daß das städtische Bauamt irgendwo noch die paar Meter alten Eisengitters liegen hat, die man zur Einfassung bräuchte.
So würde es ein Privatmann machen. Und die Ecke bekäme ein freundliches, sauberes Aussehen, ohne den pedantischen Charakter offizieller und kosispieliger Gediegenheit.
Das darf die Verwaltung natürlich nicht zugeben und sie stampft daher Ihren Vorschlag, lieber Herr René Blum, mit einem klotzigen Kostenanschlag in Grund und Boden. Sie will kein Gärtchen, sondern Pflaster, macht 1500 Franken. Alsdann müssen die Ecken an den Strebepfeilern eingebaut, die hohe Giebelmauer muß sauber abgeipitzt und kostspielig verputzt werden, macht 5500 Franken. - Und die ganzen 7000 Franken sind trotzdem aus dem Fenster geworsen, sagte die Verwaltung. Also bleibt alles beim Alten.
So hat man Sie, lieber Herr René Blum, auf ein totes Geleise geschoben. Aber es war trotzdem gut, daß Sie die allgemeine Aufmerksamkeit auf jenen Stadtteil gelenkt haben. Luxemburg beginnt zu spüren, daß das Blut des Verkehrs mit stärkerem Druck und Schwung in seinen Adern kreist und daß freie Durchgänge geschaffen werden müssen, wo sonst der Verkehr nur durchsickern konnte. Der Fischmarkt ist das Herz der Altstodt, aber das Herz hat einen argen Klappenfehler, wenn man so sagen darf. Der ganze Verkehr von Osten her kommt den Clausener Berg herauf und staut sich in der Fleischerstraße. Da muß Luft geschaffen werden. Lassen Sie sich doch einmal von Herrn Georg Traus den Plan zeigen, den er vom Fischmarkt, wie er sein sollte und könnte, entworfen hat. Und bringen Sie einer hochmögenden Verwaltungsstelle inter pocula bei, das sei ihre Idee, ihr Plan, sie müsse alles dransetzen, ihn auszuführen.
So wird es gemacht. Aber um Gottes willen keine Interpellationen und keine Zeitungsartikel.